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Physiker stellen superschwere Atomkerne her  
  Kernphysiker haben mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern zwei neue ultraschwere Atome hergestellt. Es handelt sich um Isotope von Aluminium und Magnesium mit über 40 Protonen und Neutronen im Atomkern.  
Die Gruppe um Dave Morrissey vom Forschungslabor NSCL in Michigan/USA hat für das rekordverdächtige Experiment folgenden Vergleich parat: Während ein normales Aluminiumatom einem durchschnittlichen Menschen mit 80 Kilogramm Körpergewicht entspricht, steht das neue Aluminium-Bröckerl für einen Dickleibigen, der knapp 130 Kilo auf die Waage bringt.
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Die Studie "Discovery of 40Mg and 42Al suggests neutron drip-line slant towards heavier isotopes" ist in "Nature" (Bd. 449, S. 1022; Ausgabe vom 25.10.07) erschienen.
->   Nature
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Starke Kernkraft hält Atomkerne zusammen
Atomkerne bestehen aus Protonen und Neutronen, die durch die starke Kernkraft, eine der vier grundlegenden Kräfte der Physik, zusammengehalten wird.

Da sie zwischen Neutronen und Protonen größer ist als zwischen gleichen Teilchen, sind jene Isotopen am stabilsten, die über eine gleiche Anzahl von Neutronen und Protonen verfügen.

Das gilt zumindest bei kleineren Atomkernen. Größere Atomkerne hingegen haben mehr Neutronen, weil die Abstoßung der positiv geladenen Protonen die Bindungskraft der starken Kernkraft reduziert.
Wie viele Neutronen und Protonen gehen zusammen?
Bis zu welcher Anzahl und in welchem Verhältnis Neutronen und Protonen gemeinsam einen Nukleus bilden können und stabil bleiben, das ist eine der zentralen Fragen der Kernphysik.

Die Grenzen, bis zu denen das möglich ist, werden durch die "proton drip line" bzw. "neutron drip line" markiert. Diese Grenzen haben die Physiker aus Michigan nun experimentell erweitert.
Schon 3.000 Isotope nachgewiesen
Insgesamt 3.000 Isotope - Atome mit gleicher Anzahl an Protonen, aber unterschiedlicher Neutronenzahl - wurden bisher in Teilchenbeschleunigern bereits nachgewiesen, schreibt "Nature" in einem Begleitkommentar. Kernphysiker gehen hingegen davon aus, dass es mindestens dreimal soviele gibt.

Da sich diese Atomkerne als überaus flüchtige Verbindungen erweisen, sind ihre Herstellung und Nachweis selbst mit den besten Teilchenbeschleunigern noch immer wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
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Schwerstes Element der Welt
Von der höchsten Anzahl von Protonen in einem Atomkern berichteten russische Forscher im Oktober 2006. Das später Ununoctium genannte Edelgas hat 118 Protonen und wurde entsprechend in das Periodensystem mit der Ordnungszahl 118 aufgenommen.
->   Forscherteam erzeugt schwerstes Element der Welt (17.10.06)
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Kalzium-Atomkerne auf Wolfram geschossen
Bild: D. Bazin
Die Forscher richten die Detektoren für ihre Experimente ein
Besonders die Detektion neutronenreicher Atomkerne hat sich bisher als sehr schwierig erwiesen. Bisher gelang dies nur bei den leichten Elementen des Periodensystems, als Rekordhalter galt ein Natrium-Isotop mit elf Protonen und 26 Neutronen.

Die NSCL-Physiker feuerten mit einem Teilchenbeschleuniger nun neutronenreiche Kalzium-Atomkerne auf das Schwermetall Wolfram, aus dem sich daraufhin Neutronen lösten.

In einigen wenigen, aber detektierbaren Fällen bildeten sich dann die neuen "Neutronen-Weltrekordler": 40Magnesium mit zwölf Protonen und 28 Neutronen sowie 42Aluminium mit 13 Protonen und 29 Neutronen.
Neue Isotope gibt es - theoretisch - gar nicht
Nach gängigen Erklärungsmodellen der Kernphysik sollte 42Aluminium gar nicht existieren, betonen die Forscher.

Dass es nun in einer Reihe von Experimenten doch nachgewiesen werden konnte, - einmal sogar das noch schwerere Isotop 43Aluminium -, zeige, dass der Verlauf der "neutron drip line" überdacht gehört.

Dementsprechend folgert Dave Morrissey: "Die Grenzen der Stabilität von Materie dürften nicht so eng sein wie bisher gedacht. Unsere Studien zeigen, dass in den Atomkernen nach wie vor Geheimnisse liegen."

[science.ORF.at, 24.10.07]
->   Neutron drip line (Wikipedia)
->   National Superconducting Cyclotron Laboratory (NSCL)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Elementarteilchen mit schwankender Masse (17.1.07)
->   Higgs-Teilchen vermutlich leichter als angenommen (10.1.07)
 
 
 
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01.01.2010