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Pharmazeut: "Der Sport ist große Lüge"  
  Nach Ansicht eines deutschen Forschers ist mit einem weltweiten Wettrennen für die Olympischen Spiele 2008 zu rechnen - nicht nur in den Trainingshallen, sondern vor allem in den Laboratorien.  
"Sportler dopen sich mit wirksamen Substanzen, deren Nebenwirkungen man nicht im Entferntesten vorhersagen kann. Das ist die Zukunft", sagt Fritz Sörgel, der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg. "Wir müssen mit dem System der Heuchelei leben. Der Sport ist eine große Lüge."
Neuer Trend: Biosimilars
Der Pharmakologe sieht schwere Zeiten auf den Sport zukommen: "Wenn erst intelligente Epos kommen, also wenn man die Wirkung von EPO simuliert, ohne sich an den jetzigen Epos zu orientieren, wie bei den Biosimilars und Dynepo, dann wird es wirklich auf lange Zeit wieder ein verlorenes Rennen."

Bei Biosimilars handelt es sich um minimale Abwandlungen pharmazeutischer Vorbilder, die genauso genau so wie diese wirken. Weltweit sind nach Schätzungen Sörgels momentan hundert kleinere Firmen und Labore in der Lage, innerhalb von vier Wochen Dopingstoffe herzustellen. Sörgel: "Wenn dazu die kriminelle Potenz eines Dr. Conte, wie in den Balco-Laboratorien bei San Francisco kommt, dann ist das Horror-Szenario perfekt."
Neue Moleküle derzeit nicht nachweisbar
Auch andere neue Dopingstoffe kommen auf den Markt. Sörgel nennt zum Beispiel das Hormon IGF-1. Eine Substanz, die ebenfalls gemeinsam mit Epo, Wachstumshormonen und Anabolika eine große Rolle in der Doping- und Bodybuilder-Szene spielen werde.

Sörgel: "Einerseits ist diese Substanz für etwa 44.000 Patienten in der EU, die dieses Medikament dringend brauchen, ein Segen. Aber gleichzeitig stellt es ein Potenzial für den Sportbetrug dar." Die technisch gut ausgerüsteten Labore seien in der Lage, "sehr schnell neue Stoffe herzustellen, die aber gleichzeitig nicht mit den gängigen Methoden nachweisbar sind".
Pharma-Wettrüsten
Mit Blick auf die Olympischen Spiele im kommenden Jahr geht Sörgel trotz aller Anti-Doping-Bemühungen von einem weltweiten Wettrüsten aus.

"Ich denke, dass sich alle Beteiligten derzeit sehr bemühen, nach außen einen perfekten Dopingkampf zu demonstrieren", sagt Sörgel, "ich denke aber auch, dass Doping weiter perfektioniert wird und vor allem auch alle Möglichkeiten des Blutdopings ausgeschöpft werden. Die Grenzwerte für Hämoglobin und Hämatokrit sind ideal hoch und laden geradezu ein, Blutdoping zu betreiben."
"Doping-freier Sport utopisch"
Die Hoffnung auf einen Doping-freien Sport sei utopisch. Sörgel: "Eine der Lebenslügen des Sports ist es einfach, dass das Problem des Dopings jemals beseitigt werden kann. Es ist immer nur die Frage, auf welchem technischen Niveau sich Sportler und Doping-Laboratorien einen Wettkampf liefern und wie gleich die Waffen sind." Die Waffen seien jedenfalls nicht gleich, wenn vergleichbar wenig finanzielle Mittel in die Dopingforschung gesteckt würden.

Zudem ist er nach den Erfahrungen der Vergangenheit überzeugt, dass der Anti-Doping-Kampf - bis auf wenige Ausnahmen - in den Verbänden keine große Rolle spielt. Sörgel: "Man macht die Augen zu, hofft, dass nichts passiert und man nicht eines Tages aus diesem Traum erwacht."

[science.ORF.at/dpa, 25.10.07]
->   Institut für Pharmazeutische Forschung
->   Biosimilars - Wikipedia
->   IGF-1 - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010