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Aids-Virus kam bereits 1969 in die USA  
  1981 wurden in einem Fachjournal erstmals die Symptome einer Krankheit beschrieben, die später den Namen "Aids" bekommen sollte. In einer aktuellen Studie wird nun die Vorgeschichte der Immunkrankheit präzisiert. Das HI-Virus wurde ihr zufolge bereits 1969 vermutlich von einem einzigen Überträger aus Haiti in die USA eingeschleppt - und blieb danach über ein Jahrzehnt lang unerkannt.  
In seiner "neuen Heimat" dürfte sich das Virus entgegen bisherigen Annahmen zuerst langsam in der heterosexuellen Bevölkerung verbreitet haben, ehe es sich dann in den Hochrisiko-Gruppen Anfang der 1980er Jahre explosionsartig zu vermehren begann.

Diesen Schluss zieht eine Medizinergruppe um Michael Worobey von der University of Arizona. Sie hat das Erbgut historischer Virusproben mit jenem von aktuellen HI-Viren verglichen.
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Ihre Studie "The emergence of HIV/AIDS in the Americas and beyond" erscheint zwischen 30.10. und 2.11.07 online in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0705329104).
->   Studie (sobald online)
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Chronologie: Vom Auftreten des Virus ...
Die persönlichen Schicksale, die sich hinter jeder einzelnen Aids-Erkrankung verbergen, lassen sich durch Zahlen nicht vermitteln. Dennoch sind Daten und Fakten, eine gesicherte Chronologie ein wichtiges Fundament der Wissenschaft, nicht zuletzt zur Entwicklung neuer Therapien.

Der bisher bekannte Zeitablauf: Vermutlich bereits in den 1930er Jahren ist das Aids-Virus in Zentralafrika entstanden. Die älteste sicher dokumentierte HIV-Infektion stammt aus der Blutprobe eines Afrikaners, genommen im Jahr 1959.
... bis zu seiner erstmaligen Beschreibung
Im Juni 1981 erschien der berühmte Artikel in einem Fachjournal der US-Gesundheitsbehörde CDC der erstmals die Aids-Symptome beschrieb (Morbidity and Mortality Report, Bd. 30, S.1). Anlass waren fünf Männer, die wegen Lungenentzündungen in Krankenhäusern von Los Angeles behandelt worden waren.

Nach einer explosionsartigen Zunahme der Krankheitsfälle machen die Virologen Luc Montagnier (Frankreich) und Robert Gallo (USA) 1983 den Erreger HIV (Human Immunodeficiency Virus, humanes Immunschwächevirus) als Verursacher der Krankheit aus.

Weitere Meilensteine in der Aids-Geschichte: 1987 wird das erste Medikament (AZT) zugelassen, 1988 ruft die UNO den ersten Welt-Aids-Tag aus.
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Die beiden ersten Aids-Studien
Die Studien "Isolation of a T-lymphotropic retrovirus from a patient at risk for acquired immune deficiency syndrome (AIDS)" von Luc Montagnier et al. und "Isolation of human T-cell leukemia virus in acquired immune deficiency syndrome (AIDS)" von Robert Gallo et al. sind am 20. Mai 1983 im US-Fachjournal "Science" erschienen (Bd. 220, S. 868 und S. 865).
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Zwölf Jahre in den USA - ohne aufzufallen
Der Evolutionsbiologe Michael Worobey und seine Kollegen haben der Geschichtsschreibung von Aids nun ein neues Kapitel hinzugefügt. Von seinem Ursprungsort in Afrika wanderte das HI-Virus ihnen zufolge Mitte der 1960er Jahre nach Haiti.

Ungefähr 1969 - die Autoren der Studie schreiben "zwischen 1966 und 1972" - ist es dann durch Migranten von dem Karibikstaat in die USA gekommen. Was deutlich früher ist als bisher angenommen, wie die Forscher betonen. Danach hat sich das Virus pandemisch in der Welt verteilt.

Die Zeitspanne vom ersten Auftreten in den USA bis zur erstmaligen Beschreibung der Symptome - in der Veröffentlichung von 1981 - ist mit zwölf Jahren dementsprechend größer als bisher gedacht.
Vergleich von historischem und aktuellen Erreger
Bei dem aus Haiti eingeschleppten Krankheitserreger handelt es sich um das Aids-Virus 1 von der Gruppe M, Subtyp B, dem bis heute mit Abstand am meisten verbreiteten Typ (Ausnahme: die Länder Afrikas südlich der Sahara). Die Ursache dafür dürfte in der gemeinsamen Abstammung von dem Haiti-Virus bestehen.

Für ihre Studie untersuchten die Forscher konservierte Blutproben von fünf haitianischen Immigranten, die 1982 und 1983 wegen Aids-Symptomen behandelt wurden und sich mit der Krankheit wahrscheinlich bereits in ihrer ehemaligen Heimat angesteckt hatten.

Diese verglichen sie mit den Blutproben von 117 Patienten aus 19 Ländern, die später mit dem gleichen Errergertyp infiziert worden sind.
Von Haiti über die USA um den Globus
 
Grafik: Michael Worobey

Gensequenzierungen der HI-Viren und die statistische Bearbeitung der Daten führten zu einer Reihe von Hypothesen, was die Ausbreitung des Virus betrifft. Mit 99,8 Prozent ist die Variante "Zentralafrika-Haiti-USA-Rest der Welt" dabei mit Abstand am wahrscheinlichsten (siehe Grafik oben).

In Haiti ist die genetische Diversität von HIV-1 Subtyp B viel größer als in den anderen Ländern. Das Virus ist dort bereits 1966 aus Afrika eingeschleppt worden und hatte so mehr Zeit zu mutieren, schreiben die Forscher.

Bisher hatten Experten angenommen, dass das Virus Ende der 1970er Jahre mit eingereisten Nordamerikanern zu dem Inselstaat gelangte. Die jetzige Untersuchung belegt hingegen, dass Haiti der Ursprungsort des dortigen Epidemie-Virustyps ist.
Erst in heterosexueller Bevölkerung verbreitet
In den USA habe sich das Virus möglicherweise zunächst langsam in der heterosexuellen Bevölkerung verbreitet, bevor es in die Hochrisiko-Gruppe homosexueller Männer gelangte, vermuten Worobey und seine Kollegen.

Dort habe es sich dann so stark verbreitet, dass es schließlich bemerkt wurde.

Aufgrund der nun mehr 40-jährigen Entwicklungsgeschichte des Virus in Haiti sei dort eine hohe genetische Vielfalt zu finden. Und dies könne nicht zuletzt für die Entwicklung neuer Impfstoffe von Bedeutung sein.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 30.10.07
->   Michael Worobey, University of Arizona
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01.01.2010