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Diabetes doch kein Störfall der Zellkraftwerke  
  Wiener Molekularbiologen haben eine überraschende Entdeckung zur Enstehung von Diabetes gemacht. Bisher nahm man an, dass die Krankheit durch einen Defekt in den Zellkraftwerken, den Mitochondrien, ausgelöst wird.  
Doch das dürfte falsch sein: Typ-2-Diabetes ist nicht die Folge, sondern die Ursache von Problemen in den Zellkraftwerken.

Das berichtet ein Team um Josef Penninger vom Institut für Molekulare Biotechnologie. Die Studie ist das Coverthema der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Cell".
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"Targeted Deletion of AIF Decreases Mitochondrial Oxidative Phosphorylation and Protects from Obesity and Diabetes" von J. Andrew Pospisilik et al. ist in "Cell" (Bd. 131, S. 476; doi: 10.1016/j.cell.2007.08.047) erschienen.
->   Cell
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Volkskrankheit Diabetes
Bild: Cell
Der Hintergrund der Forschungen: Zwischen fünf und zehn Prozent der Weltbevölkerung leiden an Diabetes oder Fettleibigkeit, nicht selten gehen beide Krankheiten Hand in Hand. Für die Betroffenen bedeutet dies unter anderem ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Gefahr von schwerwiegenden Komplikationen.

Sowohl Diabetes vom Typ 2 als auch bestimmte Formen der Fettsucht beruhen auf einer Unempfindlichkeit des Muskelgewebes gegenüber dem Hormon Insulin. Wiederholt haben Studien ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen dieser Insulinresistenz und der Leistungsfähigkeit der Mitochondrien besteht.

Die Kraftwerke der Zelle verarbeiten unter anderem Zucker und verwenden ihn zur Herstellung der universellen "Energiewährung" des Körpers, das sogenannte ATP.
Annahme: Defekte Mitochondrien sind Ursache
Mit Hilfe der Magnetresonanz-Spektroskopie lässt sich die von den Mitochondrien produzierte Menge ATP im lebenden Gewebe messen. Bei Patienten mit Insulinresistenz zeigt sich, dass die Mitochondrien der Muskelzellen äußerst ineffizient arbeiten. Sie benötigen wesentlich mehr "Kraftstoff" als gesundes Muskelgewebe.

In der Stoffwechselforschung festigte sich daher die Ansicht, leistungsschwache Mitochondrien seien die Ursache von Insulinresistenz - und damit von Diabetes und Fettsucht. Der Wirkungszusammenhang wurde jedoch nie im Experiment bestätigt.
Wirkung statt Ursache
Die vorliegende Studie stellt diese Annahme nun gleichsam auf den Kopf: Andrew Pospisilik aus dem Team von Penninger veränderte das Erbgut von Mäusen dergestalt, dass die Mitochondrien der Muskelzellen ihre Leistung drosselten. Die dadurch hervorgerufene Störung in den Zellkraftwerken glich exakt dem beschriebenen Defekt bei Menschen vor dem Ausbruch von Diabetes.

Als die Forscher Mäuse auf Anzeichen von Diabetes oder Fettsucht testeten, erlebten sie eine Überraschung: Die Tiere waren schlank und äußerst Insulin-empfindlich.
Fast-Food: Körper kompensiert Überangebot
Wurden die Tiere auf eine Fast Food-ähnliche Diät mit hohem Fettanteil gesetzt, so waren sie sogar vor Diabetes und Dickleibigkeit geschützt. Andrew Pospisilik erklärte das scheinbare Paradoxon damit, dass ineffiziente Mitochondrien eben mehr "Kraftstoff" verbrennen müssen als funktionstüchtige.

"Die Unterfunktion der Mitochondrien, die wir bei Diabetes und Fettsucht beobachten, scheint nicht die Ursache sondern ein Kompensations-Mechanismus des Körpers zu sein", schließt er aus den Versuchen.
Nachweis am Menschen steht noch aus
"Wir wollten eigentlich den Beweis liefern, dass defekte Mitochondrien zu Typ-2-Diabetes führen können, wie von vielen korrelativen Studien vorgeschlagen", kommentiert Penninger die Arbeit.

"Zu unserem Erstaunen ergaben die Ergebnisse genau das Gegenteil von dem, was die meisten Experten erwartet hatten. Natürlich sollte man von unseren Mausdaten nicht direkt auf Menschen schließen. Die Beziehungen zwischen Energiehaushalt, Mitochondrien, Fettsucht und Diabetes sind vermutlich viel komplexer als angenommen."

[science.ORF.at/APA, 31.10.07]
->   Institut für Molekulare Biotechnologie
->   Diabetes mellitus - Wikipedia
->   Mitochondrium - Wikipedia
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01.01.2010