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Experimente: Seltsame Wissenschaft  
  Elefanten auf LSD, maskiertes Kitzeln von Versuchspersonen, die Wiederbelebung von Toten, zweiköpfige Hunde und Ähnliches - erstaunlich, welch bizarre Ideen Wissenschaftler im Dienst der Forschung haben können. Zehn der eigenartigsten Experimente aller Zeiten hat nun ein amerikanischer Journalist gesammelt.  
Nicht alle der vorgestellten Experimente seien das Werk von ausgesprochenen Spinnern. Dennoch waren die meisten wohl dem Wahn näher als der Genialität, meint Alex Boese in der aktuellen Ausgabe des "New Scientist" (Bd.196, 3. November 2007, S.49-57).
Ein Elefant auf LSD
Am 3. August 1962 injizierte der US-amerikanische Zoodirektor Warren Thomas gemeinsam mit zwei Medizinern dem Elefanten Tusko 297 Milligramm LSD, das 3000-fache einer für Menschen verträglichen Dosis. So wollten die Forscher herausfinden, ob die Droge temporären Wahnsinn auslöst, wie er bei männlichen Elefanten vorkommen kann.

Leider lief das Experiment sofort schief: Der Elefant trompetete noch einige Minuten wild durch seinen Rüssel, bevor er wie von einer Kugel getroffen umkippte. Alle Wiederbelebungsversuche mit antipsychotischen Mitteln scheiterten. Die wissenschaftliche Schlussfolgerung: "Es scheint, dass Elefanten sehr sensibel auf LSD reagieren."
Verhaltensänderung durch Todesangst
Im Rahmen eines scheinbaren Routinetrainings bestiegen anfangs der 1960er Jahre zehn Soldaten einer US-Militärbasis ein Flugzeug. In einer Höhe von 1.500 Metern begann das Fluggerät plötzlich zu straucheln, ein Propeller fiel aus. Der Pilot meldete sich: "Wir haben ein Notfall!" Ein Antrieb sei ausgefallen. Er werde versuchen, eine Notlandung im Meer durchzuführen.

Vermutlich jeder würde in einer derartigen Situation panisch reagieren. Auch wenn es in diesem Fall gar nicht notwendig gewesen wäre. Die Soldaten waren nämlich die unwissenden Versuchskaninchen eines psychologischen Experiments. Im Rahmen einer Studie wollte man herausfinden, wie sich akute Todesangst auf das Verhalten auswirkt.

Dazu mussten die Probanden ein Versicherungsformular ausfüllen, was manchen schon unter normalen Umständen nicht leicht fällt. Die Erklärung für diese ungewöhnliche Aufgabe: Im Todesfall würden die Angehörigen für den Verlust entschädigt werden.

Nicht ganz unerwartet hatten die Soldaten große Schwierigkeiten, die Formulare zu entziffern und auszufüllen. Was die Soldaten auch nicht wussten: Die Formulare waren extra verwirrend gestaltet. Das wenig überraschende wissenschaftliche Ergebnis: Todesangst interferiert signifikant mit der Fähigkeit, Formulare richtig auszufüllen.
Der maskierte Kitzler
1933 begann der amerikanische Psychologe Clarence Leuba ein ambitioniertes Heimexperiment. Er wollte nämlich herausfinden, ob durch Kitzeln hervorgerufenes Lachen ein angeborener oder erlernter Reflex ist. Testsubjekt war sein neugeborener Sohn. Niemand durfte in seiner Gegenwart lachen, wenn er gekitzelt wurde. Das heißt, gekitzelt wurde nur mehr während der experimentellen Sitzungen.

Während dieser wurde das Kind nach vorgegebenem Muster gekitzelt, Leuba selbst verbarg sein Gesicht hinter einer ausdruckslosen Maske. Dennoch: Mit sieben Monaten reagierte der Säugling mit Lachen. Auch eine Wiederholung des Experiments mit seiner Tochter führte zum selben Resultat.
Charakteristische Gesichtsausdrücke
Rufen Emotionen charakteristische Gesichtsausdrücke hervor? Diese Frage stellte sich der Psychologiestudent Carney Landis 1924. Dazu setzte er Versuchspersonen in sein Labor. Um die Ausdrücke besser zu erkennen, zog er ihre Gesichter mit Kohlelinien nach.

In der Folge wurden sie unterschiedlichen Stimuli ausgesetzt, die zu starken emotionalen Reaktionen führen sollten. So mussten sie etwa an Ammoniak riechen, pornographische Bilder betrachten oder ihre Hand in einen Kübel voll Fröschen stecken.

Am Höhepunkt des Experiments sollten sie eine weiße Ratte töten. Zwei Drittel der Probanden befolgten den Auftrag von Landis - wenn auch unter heftigem Protest - tatsächlich. Männer fluchten, Frauen weinten. Einen einzelnen, typischen Gesichtausdruck konnte der Forscher dennoch nicht finden. Das wirklich erstaunliche Ergebnis des Experiments - die menschliche Manipulationsfähigkeit - ließ ihn unbeeindruckt.
Die Wiederbelebung von Toten
In den 1930er Jahren behauptete der US-amerikanische Wissenschaftler Robert E.Cornish, er könne Tote wiederbeleben. Zuerst erprobte er seine "Therapie" - bestehend aus Auf- und Niederschaukeln und einem Drogencocktail - an Hunden. Zwei Tiere lebten tatsächlich für ein paar Monate weiter, wenn auch halbblind und schwer gehirngeschädigt.

Sein Ansuchen seine Methoden an einem zum Tode verurteilten Freiwilligen zu testen, wurde allerdings vom Staat Kalifornien abgelehnt. Außerdem wurde er aufgrund seiner Forschungsarbeit von der Universität verbannt.
Lernen wie im Schlaf
"Meine Fingernägel schmecken fruchtbar bitter." 300 Mal wiederholte ein US-amerikanischer Psychologe diesen Satz im Schlafsaal eines Camps für Buben. Die kleinen Versuchspersonen sollten quasi im Schlaf davon überzeugt werden, das Nägelbeißen zu lassen. In 40 Prozent der Fälle funktionierte die Methode. Spätere Untersuchungen mit Hilfe von Elektroenzephalogrammen widerlegten jedoch den "Schlaflerneffekt".
Das Sexualverhalten von Truthähnen
Ebenfalls eine Verhaltensstudie, wenn auch mit Tieren, hatten die Amerikaner Martin Schein und Edgar Hale 1965 im Sinn. Sie wollte herausfinden, welcher minimale sexuelle Stimulus männliche Truthähne zur Tat schreiten lässt. Zuerst positionierten sie ein lebensechtes Modell einer Truthahnfrau im Versuchsraum. Das männliche Tier reagierte sofort.

Nun entfernten die Forscher Stück um Stück vom Kunstvogel. Der Truthahn reagierte bis nur mehr ein Kopf auf einem Stab überblieb. Die Erklärung: Das männliche Tier sei soviel größer als sein weiblicher Gegenpart, dass er beim Sexualakt nur mehr ihren Kopf sehen würde. Deshalb sei dieser das Zentrum der erotischen Aufmerksamkeit.
Zweiköpfiger Hund
1954 gelang dem Russen Vladimir Demikhov sein chirurgisches Meisterstück - ein zweiköpfiger Hund. Er nähte Kopf, Schultern und Vorderbeine eines jungen Hundes an den Nacken eines größeren Hundes. Nach sechs Tagen starb das seltsame Tier. Sein Erzeuger habe weniger aus wissenschaftlichem Interesse denn aus Geltungssucht gehandelt, so zumindest seine Kritiker.
Ein Arzt geht an die Grenzen
Selbstversuche haben in der Medizin Tradition. An die Grenze der menschlichen Belastbarkeit ging dabei der angehende Arzt Stubbins Ffirth am Anfang des 19. Jahrhunderts. Er war überzeugt, dass Malaria nicht ansteckend ist, sondern auf übermäßige Hitze, Essen und Lärm zurückzuführen sei.

Um seine These zu erhärten, setzte er sich selbst der Krankheit aus. Zuerst brachte er nur kleine Mengen von frischem Erbrochenem in sich selbst zugefügte kleine Kratzer ein. Danach tropfte er kleine Mengen in seine Augen. Am Ende der Testreihe aß er die frischen Exkremente eines Kranken. Wie durch ein Wunder blieb er tatsächlich gesund. Er sah seine Behauptung somit belegt.
Schlafen mit offenen Augen
Das letzte der zehn ausgewählten Experimente beschreibt noch einen einigermaßen grausamen Menschenversuch. Es gibt Personen, die können in jeder Lebenslage schlafen. Genau diese wollte der Brite Ian Oswald 1960 untersuchen. Dafür legte er seine drei Probanden auf eine Couch und klebte zu allererst die Lider fest, damit sie ihre Augen nicht mehr schließen konnten.

Außerdem installierte er ihnen gegenüber ein Blitzlicht. Elektroden an ihren Beinen erteilten elektrische Schläge. Die drei jungen Männer schliefen dennoch innerhalb von zwölf Minuten ein. Den Schlüssel dafür sah der Forscher in der monotonen Natur der Stimuli, die die Versuchspersonen in eine Art Trance versetzt hätten - wem immer diese Erkenntnis auch helfen soll.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 5.11.07
->   New Scientist
->   Alex Boese
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01.01.2010