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Kanalsystem: 22 Prozent weniger Durchfall bei Kindern  
  1998 hat die brasilianische Stadt Salvador mit einem stadtweiten Sanitätsprogramm begonnen: Unter dem Titel "Bahia Azul" ("Blaue Bucht") sollten 80 Prozent der Haushalte an ein Klärsystem angeschlossen werden. Ein brasilianischer Forscher hat die gesundheitlichen Auswirkungen des Programms analysiert und kommt zum Schluss: 22 Prozent weniger Kinder erkranken seither an schwerem Durchfall.  
Dass ein Zusammenhang zwischen den hygienischen Umständen, insbesondere der Entsorgung von Fäkalien, und dem Risiko für schwere Diarrhoe besteht, ist keine Überraschung. Dass Studien wie jene von Mauricio Barreto und Kollegen dennoch dringend benötigt werden, begründen Forscherkollegen in "The Lancet" mit der Trägheit der Politik: Nur konkrete Zahlen hätten jene Überzeugungskraft, die für Investitionen in sanitäre Anlagen benötigt wird.
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Die Studie "Effect of city-wide sanitation programme on reduction in rate of childhood diarrhoea in northeast Brazil: assessment by two cohort studies" von Mauricio Barreto und Kollegen ist am 8. November 2007 in "The Lancet" erschienen (Band 370, S. 1622-1628).
->   "The Lancet"
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Bekanntes Problem wird immer größer
In wohlhabenden Ländern neigt man dazu, das Thema mit wissendem Augenverdrehen wegzuwischen. Klar: Wo schlechte oder keine sanitären Anlagen vorhanden sind, verbreiten sich Krankheiten, deren Erreger in menschlichen Fäkalien vorhanden sind, schneller.

In armen Regionen mag der Zusammenhang zwar auch bekannt sein, das Problem wird aber dennoch immer größer: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wurden 2006 von 52 Staaten insgesamt 236.896 Fälle von Cholera gemeldet - die Zahl war um 79 Prozent höher als 2005.
Anzeiger von Ungleichheit
"Das Auftreten von Cholera ist ein sensibler Anzeiger von Ungleichheit", schreibt der Mediziner David Durrheim in einem Kommentar im "Lancet". Ebenso sind es Durchfallerkrankungen, die bei Kindern unter fünf Jahren noch immer die Haupttodesursache in armen Ländern darstellen.
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UN-Entwicklungsziele
Dass fehlende sanitäre Anlagen ein massives Hindernis für die persönliche und gesellschaftliche Entwicklung sind, hat auch die UNO erkannt: Eines der "Millenium Development Goals", das die Weltgemeinschaft bis 2015 erreichen sollte, ist die Halbierung der Anzahl jener Menschen, die keinen adäquaten Zugang zu sanitären Anlagen haben. Die bisherigen Zahlen machen kaum Mut: Geht die Entwicklung so weiter wie bisher, werden im Jahr 2015 600 Millionen Menschen zu wenig versorgt sein, um das Ziel zu erreichen.
->   Mehr über die "Millenium Development Goals" der UNO
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Erkrankungen vor und nach neuer Anlage
Mauricio Barreto und seine Kollegen wollten es am Beispiel ihres eigenen Lebensraums, der brasilianischen Stadt Salvador, genau wissen, welche gesundheitlichen Effekte die Installierung eines Sanitätssystems für die Gesundheit von Kindern hat.

In den Jahren 1997/1998, noch bevor die neue Anlage in Betrieb ging, erfassten sie Durchfallserkrankungen von 841 bis zu drei Jahre alten Kindern. Wiederholt wurde die Studie in den Jahren 2003/04, nach Fertigstellung der sanitären Anlage, mit 1.007 ebenfalls bis zu drei Jahre alten Kindern.
22 Prozent weniger Erkrankungen
Die Auswirkung des höheren Hygienestandards ließ sich deutlich nachvollziehen: 22 Prozent weniger Durchfallerkrankungen wurden verzeichnet. In jenen Regionen der Stadt, wo es vorher die meisten Diarrhoe-Fälle gegeben hat, fiel die Rate sogar um 43 Prozent.

Besonders betonen die Forscher die Wichtigkeit eines Kanalsystems: Nur durch den Abtransport der Ausscheidungen und den Anschluss an eine Kläranlage könne die Verbreitung von Krankheitskeimen verhindert werden.
160 US-Dollar für Kanalanschluss
Um das zu ermöglichen, bräuchte es aber finanzielle Hilfe auch von internationalen Organisationen: Rund 160 US-Dollar kostet laut Mauricio Barreto ein Kanalanschluss in Brasilien - zuviel für den Einzelnen, zuviel aber auch für arme Gemeinden.

"Sanitäre Infrastruktur ist die effektivste Möglichkeit, die die internationale Community gegen Durchfallerkrankungen in der Hand hat", heißt es im Editorial des "Lancet". 40 Prozent der Weltbevölkerung leben ohne jede Form von "Toilette". Es wäre an der Zeit, "den Aufbau dieser Infrastruktur gezielt zu fördern."

Elke Ziegler, science.ORF.at, 9.11.07
->   Mauricio Barreto (International Epidemiological Association)
->   WHO
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Forscher entwickeln "Impfreis" gegen Cholera (12.6.07)
->   Studie: Händewaschen halbiert Kinderkrankheiten (15.7.05)
 
 
 
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01.01.2010