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Elementarteilchen: Preonen statt Quarks?  
  Laut physikalischer Standardtheorie sind Quarks die fundamentalen, unteilbaren Bausteine der Materie. Zwei schwedische Physiker behaupten, dass es unter der Quark-Ebene noch etwas gibt: sogenannte Preonen. Die mysteriösen Teilchen könnten neuen Berechnungen zufolge superdichte Sterne in Erbsengröße bilden - und daher nachweisbar sein.  
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Was ist ein Elementarteilchen? Elementar ist, was nicht teilbar ist. Im Begriff "atomos" steckt diese Forderung noch drinnen, wenngleich sie für jene Bausteine der Materie, die wir "Atome" nennen, gar nicht zutrifft. Atome sind teilbar, also können sie nicht elementar sein.

Anders sieht es bei Quarks und Leptonen aus. Laut der Lehrbuchtheorie, dem sogenannten Standardmodell, setzen sich alle Mitglieder des Teilchenzoos aus Kombinationen von Quarks bzw. Leptonen zusammen. Sie sind quasi die modernen Nachfolger der klassischen Atome mit Haken und Ösen, die sich Leukipp und Demokrit vor zweieinhalb Tausend Jahren ausgedacht haben.
Standardmodell: Binde Flecken
Der Ansatz des Standardmodells war ohne Zweifel erfolgreich, doch er enthält einige blinde Flecken. Einer davon ist beispielsweise die Frage, wie sich die Gravitation in das Weltbild der Teilchenphysik integrieren ließe. Die vierte Grundkraft steht nach wie vor isoliert von den anderen dreien (Elektromagnetismus, starke & schwache Kernkraft) da und es ist nicht klar, wie man sie ins Boot holen könnte.

Auch die Tatsache, dass der größte Teil der Materie so etwas wie Masse besitzt, ist keineswegs geklärt. Zwar hat der britische Physiker Peter Higgs in den 1960ern ein Modell vorgeschlagen, das die Entstehung dieser Grundgröße erklären (oder zumindest beschreiben) könnte, es hat aber einen Schönheitsfehler: Experimentell nachgewiesen wurde es bislang nicht.

Daher glauben manche Theoretiker, dass das Standardmodell nicht der Weisheit letzter Schluss ist und es unter der Etage der Quarks noch eine weitere, diesmal wirklich elementare Teilchenebene geben könnte.
Strings und Preonen
Das berühmteste Beispiel dafür ist wahrscheinlich die Familie der Stringtheorien, der zufolge das Universum aus winzigen, eindimensionalen Saiten besteht, deren harmonische Schwingungen die Kräfte und Teilchen dieser Welt aufbauen. Um sie gab es in den 80er und 90er Jahren einen regelrechte Hype, weil ihre Vertreter - unter anderem der mit der Fields-Medaille (!) ausgezeichnete Physiker Edward Witten - immer umfassendere Modelle entwickelten, die nach ihrem Bekunden der "Weltformel" schon recht nahe gekommen waren.

Endgültig angekommen ist man dort bis heute nicht, dennoch hat die Stringtheorie nach wie vor viele Anhänger. Im Gegensatz zur Preonentheorie, die auf den ersten Blick ein nicht ganz unähnliches Postulat formuliert: Ihr zufolge bestehen Quarks und Leptonen aus "punktförmigen" Teilchen, die man in Anlehnung an eine Arbeit aus den 70ern "Preonen" nennt (Physical Review D 10, 275).
Rückkehr zum Experiment
Nur war eben die Preonentheorie bislang ein echtes Aschenputtel - unter Forschern kaum in Mode, in den Medien selten erwähnt und bislang ohne nennenswerte experimentelle Erfolge. Doch das könnte sich ändern. Einer ihrer Fürsprecher, der schwedische Physiker Fredrik Sandin, sagt nun angesichts seiner neuesten Publikation: "Es gibt Zillionen von untestbaren Theorien. Im Gegensatz zu Preonentheorien - die sind nämlich heute überprüfbar."

Das klingt wie eine Antwort auf die vernichtende Kritik, die der Nobelpreisträger Richard Feynman einst gegenüber der Stringtheorie geäußert hatte. "String theorists don't make predictions, they make excuses." Soll heißen: Über Kräfte, Symmetrien und Dimensionen lässt sich zwar schön fabulieren. Nur eine Überprüfung durch das Experiment sollte, bitte sehr, schon auch möglich sein.
Erbsenzählen wäre möglich
Fredrik Sandin sorgte bereits vor zwei Jahren für Aufsehen, als er die Existenz eines neuen Sterntypus voraussagte. "Preonensterne" sollten extrem klein sein - irgendwo zwischen einer Erbse und einem Fußball - aber immerhin die Masse unseres Mondes haben, berechnete er damals mit seinem Kollegen Johan Hansson (Physics Letters B 616, 1).

Das ist unter anderem deswegen bemerkenswert, weil sie damit noch dichter wären als Neutronensterne, die man bisher als Rekordhalter abseits der Liga Schwarzer Löcher betrachtete.

In ihrer neuen Arbeit zeigen Sandin und Hansson, wie man die superdichten Erbsen und Fußbälle tatsächlich nachweisen könnte (Physical Review D, Preprint). Eine Möglichkeit wäre das "Femtolensing": Dabei wird das Spektrum der Gammastrahlung im Universum von kleinen, aber massereichen Objekten geringfügig gestört.

Das wäre mit den heutigen technischen Möglichkeiten durchaus erfassbar und ist vielleicht sogar schon geschehen. In den Daten von Gammastrahlenausbrüchen finden sich nämlich kleine Unregelmäßigkeiten, die bislang nicht befriedigend erklärt werden konnten. Sandin und Hansson jedenfalls deuten sie als Fingerabdruck der Preonensterne.
Zumindest "erfrischend"
Eine andere Nachweismöglichkeit wären Gravitationswellen - feine Dehnungen bzw. Stauchungen der Raumzeit, die etwa durch einen Zusammenstoß von Preonenklumpen entstehen sollten. Die beiden schwedischen Physiker haben auch hier die Theorie in konkrete Angaben für Normalsterbliche übersetzt und kommen zu dem Schluss: Das gegenwärtig in Planung befindliche European Gravitational Wave Observatory hätte eine Chance, Karambolagen zwischen Preonenkörpern nachzuweisen, die errechneten Frequenzen lägen im erfassbaren Bereich.

Die Kollegenschaft nimmt das neue Papier jedenfalls durchaus positiv zur Kenntnis. Dan Hooper, der am Teilchenbeschleuniger des Fermilab in Chicago arbeitet, sieht zwar noch keinen Grund vom Standardmodell abzugehen, attestiert den beiden Schweden aber einen eindrucksvollen Sinn für das Experiment.

Francis Halzen sieht das auch so. Er meint gegenüber der Website "Physical Review Focus": "Es ist erfrischend, eine Studie zu lesen, die sich außerhalb der konventionellen Bahnen der Teilchenphysik bewegt."

Robert Czepel, science.ORF.at, 28.11.07
->   Fredrik Sandin
->   Johan Hansson
->   Physival Rieview Focus
->   Preon - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010