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Neuer Fortschritt: Hautzellenverjüngung ohne Krebsgen  
  Erst vor einer Woche sorgte eine japanische Forschergruppe für weltweites Aufsehen, als sie zeigte, dass man menschliche Hautzellen in entwicklungsfähige Stammzellen umwandeln kann. Nun legt die gleiche Gruppe mit einer deutlichen Verbesserung der Methode nach: Sie funktioniert offenbar auch, wenn man auf ein gefährliches Krebsgen verzichtet. Das weckt Hoffnungen für neue Therapien.  
Die Zeit zurückdrehen
"Es ist nicht nur ein Durchbruch, es ist es sogar eine Sensation. Zum ersten Mal können Forscher die Zeitachse der Entwicklung in der Zellkultur umkehren: Aus einer Körperzelle wird eine Zelle wie im frühen Embryo. Auch wenn die verjüngten Zellen noch nicht perfekt sind, geht die Tragweite dieser Entdeckung sogar noch über die der Schaffung von Dolly hinaus."

Wenn selbst ausgewiesene Stammzellenexperten wie der Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Hans Schöler, ein so euphorisches Urteil abgeben, kann der Anlass kein ganz geringer sein. Ursache für die Wortmeldung war eine Arbeit, die kürzlich in der Zeitschrift "Cell" (doi:10.1016/j.cell.2007.11.019) veröffentlichte wurde.

Darin zeigten Forscher um Shinya Yamanaka von der Universiät Kyoto, dass Hautzellen Erwachsener durch entsprechende Behandlung "pluripotent" werden, d.h. sich in alle erdenklichen Gewebetypen entwickeln können. Was die klassische entwicklungsbiologische Logik auf den Kopf stellte: Offene Entwicklungswege gibt es nur für Stammzellen, lautete bisher die Regel, ausdifferenzierte Gewebe - wie etwa die Haut - müssen hingegen bleiben, was sie sind.
->   Hans Schöler: Viele Wege führen nach Rom
Vier Gene als Jungbrunnen
Die Arbeit von Yamanaka und Kollegen relativierte diese strikte Trennung: Ihre manipulierten Hautzellen sind zwar keine echten Stammzellen, aber sie verhalten sich in vielerlei Hinsicht wie solche.

Und es gibt noch zwei Gründe, warum die Arbeit ein so großes Echo auslöste: Erstens hat man mit den "induzierten pluripotenten Stammzellen", wie sie im Biotechdeutsch heißen, offenbar eine Alternative zu den ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen zur Hand.

Zweitens ist die von Yamanaka und Kollegen vorgestellte Methode erstaunlich einfach. Der entscheidende Arbeitsschritt besteht darin, dass man vier Gene (namens Oct3/4, Sox2, Klf4 und cMyc) in die kultivierten Zellen einschleust. Sie werden dort in Proteine übersetzt, was offenbar einen Verjüngungsschub auslöst.
Hoffnung für Stammzelltherapie
Das weckt Hoffnungen in therapeutischer Hinsicht: Wenn es so einfach ist, beliebige Gewebe aus Hautzellen herzustellen, darf man sich mit Recht fragen, ob daraus nicht einmal maßgeschneiderte organische Ersatzteillager werden könnten.

Zu deren Entwicklung benötigt man allerdings klinische Forschung am Menschen - und hier liegt das Problem: Das Gen cMyc ist nämlich an der Entstehung vieler Krebsarten beteiligt. Diese Eigenschaft fördert zwar die Vermehrung der Hautzellen in der Nährlösung, macht es aber für die klinische Forschung ungeeignet.
Verzicht auf Krebsgen möglich, ...
Aber vielleicht kann man auf das Krebsgen cMyc ohnehin verzichten, legt nun eine neue Studie von Yamanaka und Co. nahe (Nature Biotechnology, doi:10.1038/nbt1374). Entsprechende Versuche glückten zunächst mit Bindegewebszellen der Maus.

Transplantierten die Forscher diese Zellen nach der Rückprogrammierung in einen entstehenden Mäuse-Embryo, entwickelten sich daraus gesunde Tiere. Innerhalb von 100 Tagen bekam keine dieser Mäuse einen Tumor.

Von 37 Kontrolltieren, an deren Erzeugung das Krebsgen noch beteiligt war, starben hingegen im gleichen Zeitraum sechs an Krebs. Ob die bisher krebsfreien Versuchstiere womöglich zu einem späteren Zeitpunkt erkranken, sei bisher aber unklar, schreiben die Forscher.
... aber nicht bewiesen
Als nächstes wiederholten sie ihre Versuche mit Hautzellen einer 36-jährigen Frau. Auch diese ließen sich ohne das Krebsgen in die begehrten Alleskönner verwandeln - wenn auch mit geringerer Effektivität. In etwa der Hälfte der Versuche sei die Umwandlung erfolglos verlaufen, heißt es in der Studie. Es sei deshalb wichtig, nach Faktoren zu suchen, mit denen sich die Erfolgsrate steigern lässt.

Die japanischen Forscher betonen allerdings: Die Versuche seien kein Beweis dafür, dass das Krebsgen ganz verzichtbar sei. Vermutlich aktivierten die drei übrigen eingeschleusten Gene körpereigenes cMyc.

[science.ORF.at/dpa, 1.12.07]
->   Shinya Yamanaka
->   Stammzelle - Wikipedia
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->   "Jungbrunnen" macht aus Haut embryonale Stammzellen
->   Mäusezellen werden zu embryonalen Stammzellen
->   Ethisch unbedenkliche Stammzellenquelle vorgestellt
 
 
 
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01.01.2010