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Mikrobielle Kunstbanausen  
  Historische Wandgemälde sind ein besonders beliebter Aufenthaltsort für Mikroorganismen wie Pilze, Bakterien oder Algen, die die Kunstwerke mechanisch und durch biochemische Stoffwechselprodukte sukzessive zerstören. Ein Wiener Mikrobiologe sagt diesen unliebsamen Kunstfreunden - unterstützt vom Wissenschaftsfonds (FWF) - mit genetischen Analysemethoden den Kampf an.  
Wandgemälde: Eldorado für Mikroorganismen

Wandgemälde von Schloß Herberstein mit dem Motiv
"Segensspendung Christi".
Egal, ob es sich um Michelangelos Gemälde der Schöpfungsgeschichte oder um die Wandgemälde der Katharinenkapelle auf Schloss Herberstein handelt - Mikroorganismen gedeihen auf Wandgemälden besonders gut. Sehr zum Leidwesen der Restauratoren, die der kleinen Zerstörer nicht Herr werden.

Der Mikrobiologe Werner Lubitz und sein Team vom Institut für Mikrobiologie und Genetik der Uni Wien gehen nun zur Entdeckung und Identifizierung der ungewollten Gemäldebewohner neue - genetische - Wege: Mit einem speziellen Analyseverfahren werden selbst Mikroorganismen aufgespürt, die bislang nicht zu entdecken waren, und können dann mit entsprechenden Restaurations-Methoden effektiv bekämpft werden.
Genauere Bestimmung der Schädlinge
Mit der Methode können Restauratoren einerseits viel genauer erörtern, von welchen Mikroorganismen die Kunstwerke befallen sind. Andererseits arbeiten sie damit nicht planlos mit Pestiziden, die wiederum andere Schäden hervorrufen, sondern können gezielt die passenden Restaurations-Methoden anwenden.
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Reichhaltiger Nährboden
Pilze, Bakterien und Algen lieben Wandgemälde. Sie bieten aufgrund des reichhaltigen Nährbodens - nämlich Farbpigmente und Fixierstoffe - ideale Voraussetzungen für ein ungehindertes Wachstum. Die Mikroorganismen dringen durch Risse und Mikroporen tief in das Material ein und richten sowohl mechanische als auch durch ihre biochemischen Stoffwechselprodukte verursachte Schäden an: Das Abbröckeln der Pigmentschicht beziehungsweise Verfärbungen und Flecken sind die schwerwiegenden Folgen.
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Analyse bakterieller DNA-Sequenzen
Mit dem klassischen, äußerst aufwendigen Untersuchungsmethoden wie dem Elektronenmikroskop konnten bislang allerdings nicht alle diese Schädlinge entdeckt werden.

Das von Lubitz entwickelte System hingegen eröffnet den Restauratoren komplett neue Bekämpfungs-Strategien. "Wir spüren die Mikroorganismen direkt im Material des jeweiligen Wandgemäldes auf, indem wir zunächst kleine Proben entnehmen und die darin enthaltenen bakteriellen DNA-Sequenzen für die Analyse heranziehen", erklärt der Mikrobiologe das Verfahren.
Abschätzen des Schadenspotenzials
"Mit Hilfe der genetischen Information kann auf die Lebensgemeinschaft der Mikroorganismen rückgeschlossen werden. Über die Verwandtschaftsbeziehung zu den bekannten Vertretern dieser Mikroorganismen kann ihr mögliches Schadenspotenzial bestimmt werden. Die Hauptschwierigkeit der Aussage besteht darin, dass die wenigsten Mikroorganismen - nämlich weniger als 0,1 Prozent - bekannt sind."
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Gemälde werden geschont
Für die Bestimmung der Organismen werden Gene als phylogenetische Marker - das heißt als Signalstoffe - benutzt, deren DNA-Sequenzen jene Organismen identifizieren und unterscheiden können. Besonders von Vorteil an dieser Methode ist, dass dabei nur sehr geringe Probemengen benötigt werden. Die bedeutungsvollen Gemälde werden damit bestmöglich bewahrt. Auch die aufwendige Kultivierung der Mikroorganismen im Labor fällt bei diesem innovativen Ansatz weg.
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Methode bereits erfolgreich angewandt

Mikroorganismen "Archaea"
Der Mikrobiologe Werner Lubitz und sein Team haben mit dem neuen Analyseverfahren unter anderem die Wandmalerei der Katharinenkapelle auf Schloss Herberstein in der Steiermark untersucht.

Dabei konnte der Wissenschaftler feststellen, dass die Rosa-Verfärbung des aus dem 14. Jahrhunderts stammenden Kunstwerks auf die Mikroorganismen "Archaea" rückzuführen ist, die man bislang noch nie in Wandgemälden gefunden hatte und mit dieser Methode erstmals entdeckt werden konnte.

Erfolgreich waren Lubitz und seine Mitarbeiterinnen Sabine Rölleke, Guadalupe Pinar und Claudia Gurtner auch im spanischen Carmona und in Niedersachsen. In einer Kooperation mit dem Institut für Glas und Keramik der Uni Nürnberg hat Lubitz die Analysen auch an diesen Materialien getestet.
Weitere Einsatzgebiete
"Das historische Glas der Kirche von Stockkämpen stammt aus dem Jahre 1870 und war ebenfalls ein Opfer der Mikroorganismen" erläutert der Wissenschaftler. Ein besonders Einsatzgebiet boten darüber hinaus auch die prähistorischen Höhlen von Altamira, Llonin, La Garma und Tito Bustillo im Norden von Spanien.

Überall fand das Forschungsteam Mikroorganismen, deren Vorkommen in Gemälden dieser Art man bisher kaum für möglich gehalten hat.

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin
->   Institut für Mikrobiologie und Genetik
->   Wissenschaftsfonds (FWF)
 
 
 
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01.01.2010