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Genügsames Moos als Vorbild für Landwirtschaft  
  Moos ist eine der einfachsten und genügsamsten Pflanzen der Erde. Es ähnelt den allerersten Gewächsen, die am Festland gediehen. Ein internationales Forscherteam hat nun das komplette Genom einer typischen Moosart sequenziert und analysiert. Mit dem Wissen könnten landwirtschaftliche Nutzpflanzen ertragreicher gemacht werden.  
Über die spezielle Beschaffenheit des Mooses, seinen Übergang zur Landpflanze und die Möglichkeiten der Nutzung berichtet das Team unter der Leitung der University of Leeds in der aktuellen Ausgabe von "Science".
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Die Studie "The Physcomitrella Genome Reveals Evolutionary Insights into the Conquest of Land by Plants" von Stefan A. Rensing et al. ist online im "Scienceexpress" (13.December 2007, DOI: 10.1126/science.1150646) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Einzigartige Belastbarkeit
 
Bild: University of Leeds

Physcomitrella patens (Bild oben) ist eine primitive Pflanzenart, die in vielem jenen frühen Gewächsen gleicht, welche vor ungefähr 450 Millionen Jahren auf unserem Planeten zu wachsen begannen. Dieses frühe pflanzliche Leben musste sich damals an völlig neue Bedingungen anpassen: Ohne Wurzeln und ohne komplexe Blätter musste es plötzlich sowohl Kälte als auch Hitze und Trockenheit aushalten.

Noch heute sind die Fähigkeiten von Moos diesbezüglich einzigartig. Es kann extreme Dürre überdauern und wächst wieder, sobald es gewässert wird. Nicht zuletzt in trockenen Gebieten könnte diese Eigenschaft für Kulturpflanzen sehr hilfreich sein.
Modell für "höhere" Arten
Die Wissenschaftler aus Großbritannien, Deutschland, Japan und der USA von insgesamt 40 Institutionen haben nun als erstes komplettes Genom von nicht blühenden oder "niederen" Pflanzenarten jenes von Physcomitrella patens sequenziert. Anhand der vollständigen DNA wollen die Forscher jene Mechanismen identifizieren, welche die Überlebenstaktik des Mooses steuern, um diese auf Anbaupflanzen übertragen zu können.

Laut den Forschern vom Joint Genome Institute in Berkeley, das führend an der Sequenzierung beteiligt war, ist das Moos für blühende Pflanzen das, was die Fruchtfliege für den Menschen ist. Die Erforschung der einfachen Form könne in der Folge auch das Verständnis "höherer" Arten befördern.
Bindeglied zwischen Alge und Landpflanze
Bild: University of Leeds
Eine Sporen-Kapsel des Mooses
Bereits vor 20 Jahren begann man an der University of Leeds mit den Studien, die dort heute von Andrew Cuming geleitet werden. Laut ihm ist die Erforschung von Physcomitrella unter verschiedenen Gesichtspunkten sehr nützlich. So sei es nicht nur das Bindeglied zwischen Algen und Landpflanzen, auch einige seiner Eigenschaften machen es zu einem Stück einzigartigem Leben.

Physcomitrella besitzt ein haploides Genom, das heißt der Chromsomensatz ist nur einmal vorhanden, im Gegensatz zum diploiden, welches aus der Verschmelzung von männlichen und weiblichen Elternteil entsteht. Das Moos hat nämlich weder Blüten noch Samen, es pflanzt sich mit Sporen fort. Aus diesem Grund ist es sehr viel einfacher herauszufinden, welche Eigenschaft mit welchem Gen zusammenhängt.
Kontrollierte genetische Manipulation
Außergewöhnlich ist laut den Forschern auch, dass das Moos neue DNA tatsächlich an einem vorher dafür bestimmten Punkt des Genoms integriert, im Gegensatz zu anderen Pflanzen, bei welchen dies nach dem Zufallsprinzip geschieht. Das Moos-Genom kann daher viel gezielter modifiziert werden. Es lässt sich etwa auch als eine Art "grüne Fabrik" zur Produktion pharmazeutischer Produkte nutzen.

Auch dieser Fähigkeit will das Forscherteam laut Cuming auf die Spur kommen und wenn möglich auf andere Pflanzen übertragen. So könnte genetische Modifizierung weitaus kontrollierter erfolgen, weil keine unbeabsichtigten Eigenschaften entstünden.

Die Wissenschaftler sind darüber hinaus überzeugt, dass viele der nützlichen Gene auch in "höheren" Pflanzenarten zwar noch vorhanden, aber nicht mehr aktiv sind. Möglicherweise müsse man diese nur reaktivieren, um bestimmte Eigenschaften hervorzurufen. Die gefürchtete genetische Manipulation durch das Einpflanzen von DNA wäre dann überflüssig.

[science.ORF.at, 14.12.07]
->   Physcomitrella patens (Wikipedia)
->   Andrew Cuming
->   University of Leeds
->   Joint Genome Institute
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Landwirtschaft: Gentechnik weltweit im Vormarsch (6.2.06)
->   Gentech-Bäume sollen besseres Papier liefern (14.12.05)
->   Wie Pflanzen wissen, wann sie blühen müssen (16.2.04)
 
 
 
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01.01.2010