News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 
Gute Karten für die Dunkle Energie  
  Was beschleunigt die Ausdehnung des Universums? Die Dunkle Energie, glauben die meisten Astronomen. 51 Forscher haben nun einen Blick in die Vergangenheit des Kosmos geworfen und recht überzeugende Hinweise für deren Existenz gefunden. Woraus sie besteht, weiß man allerdings noch immer nicht.  
Globale Bremsphase ist vorbei
Als sich das Universum in seiner Frühphase explosionsartig ausdehnte, waren die Grundkräfte der Physik noch in einer Superkraft vereinigt. Sie teilte sich später in jene vier, die wir heute kennen: starke und schwache Kernkraft, Elektromagnetismus und Gravitation. Letztere ist für Astronomen deswegen von Bedeutung, weil sie die Materie im Raum zusammenzieht, und zwar mit einer unendlichen Reichweite. Das bremste die Ausdehnung des Kosmos ab.

Bis vor kurzem glaubte man, dass die Gravitation das noch immer tut, doch Messungen weit entfernter Sternenexplosionen zeigten: Die Bremsphase ist vorbei, die Expansion des Universum beschleunigt sich wieder und kein Ende ist in Sicht.
Wo liegt der Fehler?
In das klassische Theoriegebäude der Kosmologie will das allerdings nicht so recht passen. Irgendetwas stimmt nicht mit unserem gegenwärtigen Weltbild, darüber sind sich die Fachleute einig. Nur was, das ist eben die Frage.

"Es gibt zwei Möglichkeiten", sagt Enzo Ranchini, der nun mit 50 Kollegen die Ergebnisse einer Spurensuche in der Tiefenzeit des Universums veröffentlicht hat. "Entweder ist das Universum von einer mysteriösen Dunklen Energie erfüllt - eine abstoßende Kraft, die gegen die Gravitationsbremse ankämpft. Oder unsere Gravitationstheorie ist falsch und muss verändert werden. Etwa, indem man der Raumzeit noch ein paar Extra-Dimensionen hinzufügt."
Anleihen bei Einstein
Die meisten Astronomen neigen zur Variante eins, die in zweifacher Hinsicht Pflege am Denkmal Einstein bedeutet. Zum einen kann man so die Allgemeine Relativitätstheorie im Prinzip ohne Veränderungen bestehen lassen, zum anderen ähnelt die Dunkle Energie einer alten Einsteinschen Idee namens "kosmologische Konstante".

Die hat Einstein dereinst als Korrekturfaktor in seine Gleichungen eingefügt, um damit die statische Natur des Universums zu erklären. Später entdeckte man, dass eine solche Erklärung gar nicht nötig ist, weil sich das Universum ohnehin ausdehnt und die Idee kam in die Mottenkiste.

Nun hat man sie dort wieder herausgeholt, wenn auch in einer neuen Variante: Die kosmologische Konstante wurde nämlich früher in der astrophysikalischen Buchhaltung in der Abteilung "Geometrie & Raumzeit" verbucht, die Dunkle Energie indes gehört zur Kategorie "Teilchen & Kräfte".
Vergleich mit vergangenen Epochen
Definitive Beweise für die Existenz der Dunklen Energie gab es bis dato allerdings nicht. Daran ändert auch die neue, im Journal "Nature" (Bd. 451, S. 541) veröffentlichte Studie nicht wirklich etwas. Die Ergebnisse sprechen zwar stark für die mysteriöse Anti-Gravitation, aufgrund der Messfehler kann man aber nicht ausschließen, dass auch an der Allgemeinen Relativitätstheorie etwas falsch sein könnte.

Die 51 Astronomen hatten mit einem Teleskop des European Southern Observatory ein Stück des Himmels mit der rund 20-fachen Fläche des Mondes untersucht und dort Licht von bis zu sieben Milliarden Lichtjahren entfernten Galaxien entdeckt. Blickwinkel und Tiefe ergeben ein kosmisches Tortenstück von 25 Millionen Kubiklichtjahren.

Nachdem Licht mit endlicher Geschwindigkeit unterwegs ist, reichen die äußeren Bereiche des Tortenstücks in uralte, längst vergangene Epochen des Universums hinein.
Unscharfe kosmische Karten
 
Bild: Center for Cosmological Physics/University of Chicago

Bild oben: Die Verteilung von Galaxienclustern im Raum.

"Durch die Messung der Geschwindigkeiten von Galaxien haben Astronomen während der letzten 30 Jahre eine dreidimensionale Karte des Universums erstellt. Sie zeigt die Strukturen im großen Maßstab: Galaxiencluster und Supercluster", erklärt Olivier Le Fèvre, der an der neuen Studie mitgearbeitet hat.

"Aber die gemessenen Geschwindigkeiten zeigen nicht nur, wie die Galaxien im Universum verteilt sind. Sie zeigen auch, wie sich die Galaxien lokal bewegen." Das verzerrt die großräumige Karte ein wenig, wobei die Verzerrung offenbar nicht immer gleich war.

Ältere Galaxien bewegen sich nicht genauso wie jüngere, woraus man schließen kann, wie das Kräfteverhältnis von Dunkler Energie und Gravitation aussieht. Die neuen Messungen an mehr als 10.000 Galaxien bestätigen das zurzeit etablierte Bild, demzufolge die Dunkle Energie rund 75 Prozent der Gesamtenergie im Universum stellt.
Der Lösung nahe
Zwar ist das untersuchte Gebiet noch zu gering, um Extra-Dimensionen der Raumzeit und andere theoretische Alternativen ad astra legen zu können. Doch der Weg ist der richtige, sind die Forscher überzeugt. Luigi Guzzo, Erstautor der "Nature"-Studie: "Wir haben gezeigt, dass man durch Messung von Position und Geschwindigkeit vieler Galaxien das Mysterium der Dunklen Energie lösen kann."

Studien, die vermutlich die kritische Größe überschreiten werden, sind bereits im Gang. Eine davon, der "DEEP2 survey", findet am Mauna Kea in Hawaii statt und wird 40.000 Galaxien ähnlichen Alters untersuchen. Rund 1,5 Millionen wird die dritte Phase des "Sloan Digital Sky Survey" in New Mexiko unter der Lupe nehmen.

Das sollte wohl für eine endgültige Antwort reichen - und zur nächsten großen Frage überleiten: Woraus besteht sie eigentlich, die Dunkle Energie?

Robert Czepel, science.ORF.at, 31.1.08
->   Dunkle Energie - Wikipedia
->   European Southern Observatory
->   DEEP2 survey
->   Sloan Digital Sky Survey
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Zukunftspläne der NASA: Priorität für Dunkle Energie
->   Entdecker der Dunklen Energie ausgezeichnet
->   Dunkle Materie - direkter Nachweis gelungen
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010