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Fehlender Botenstoff macht Fliegen friedlich  
  Der Kampf zweier Taufliegen-Männchen kann sehr gewalttätig sein. Ihre Aggressionen lassen sich allerdings fast komplett dämpfen, wenn man im Nervensystem den Botenstoff Octopamin ausschaltet.  
Das berichtet eine Forschergruppe um Susanne Hoyer vom Biozentrum der Universität Würzburg.

Zwei Videos im Internet belegen eindrucksvoll das Ausmaß der Fliegen-Aggressionen.
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Die entsprechende Studie "Octopamine in Male Aggression of Drosophila" ist online in "Current Biology (DOI: 10.1016/j.cub.2007.12.052; 31.1.08) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Streit hat viele Gründe
Taufliegen können aus verschiedenen Gründen in Streit geraten. Drosophila-Männchen zum Beispiel werden angriffslustig, wenn sie ein Territorium verteidigen wollen.

Setzt man zwei von ihnen in einen kleinen Behälter, in dem eine Futterstelle mit gezuckertem Apfelsaft lockt, so dauert es nur wenige Minuten, bis eines der Männchen dominant wird, heißt es in einer Aussendung der Uni Würzburg.

Es hindert dann seinen Konkurrenten daran, an das Futter zu gehen - mit teils rabiaten Methoden.
Ein echter Ringkampf
So bäumt sich das überlegene Tier auf und wirft sich mit voller Wucht auf seinen Gegner. Es versucht, ihn mit den Vorderbeinen zu packen und vom Futter wegzudrängen.

Wenn dieser Ringkampf gut gelingt, kann das durchaus spektakulär aussehen: Das dominante Männchen wirft sich auf seinen Konkurrenten, der noch versucht mit einem Sprung zu entfliehen.

Es wird von dessen Schwung mitgerissen, schlägt einen doppelten Salto und landet sicher auf den Füßen - das andere Tier dagegen prallt mit dem Rücken zuerst auf: Ein solcher Angriff wird als "lunge" bezeichnet - was auf Englisch einen Ausfallschritt beim Fechten bezeichnet.
Der "Fechtschritt" der Fliegen
 
Bilder: Biozentrum, Uni W¿rzburg

So läuft der "aggressive Ausfallschritt" beim Kampf zweier Taufliegen-Männchen ab: Das dominante Tier stellt sich auf die Hinterbeine, saust mit aller Kraft auf seinen Gegner herunter und versucht ihn zu packen.

Der Kopf der "zuschlagenden" Fliege erreicht dabei eine Beschleunigung von 30 Metern pro Sekunde im Quadrat. Eine Taufliege ist etwa drei Millimeter groß.
->   Videos des Kampfes
Vier Angriffe pro Minute
Die Würzburger Biologin Susanne Hoyer: "Wir haben rund um die Futternäpfe Kämpfe inszeniert und gefilmt. Per Computer wurde dann ausgewertet, wie oft die Fliegen 'Lunges' zeigen."

Das Ergebnis: Die dominanten Tiere wurden pro Minute im Schnitt vier Mal "ausfällig" gegen ihre Konkurrenz.
Ohne Octopamin nur noch einer pro Minute
Mit diesem Wissen wiederholte die Biologin dann ihre Experimente mit Mutanten, die den Botenstoff Octopamin nicht mehr produzieren konnten oder bei denen er nicht mehr richtig wirkte.

Dadurch verringerte sich die Angriffslust drastisch: Die Zahl der ausgeführten "Lunges" ging auf weniger als einen pro Minute zurück.

Dass die Zahl nicht Null war, freut die Würzburger Forscherin - denn das hätte auch bedeuten können, dass die manipulierten Fliegen rein körperlich nicht mehr dazu in der Lage sind, die spezielle Verhaltensweise auszuführen.
Entspricht dem Noradrenalin beim Menschen
Warum Susanne Hoyer gerade das Octopamin erforscht hat? "Es entspricht einem chemisch nah verwandten Stoff beim Menschen, dem Noradrenalin, also einem Hormon, das bei uns mit Aggressionen in Verbindung gebracht wird", sagt sie.

Das Octopamin wird in ähnlichen Situationen freigesetzt wie das Noradrenalin beim Menschen: Bei Grillen zum Beispiel tritt es in Kampfsituationen in deutlich erhöhter Konzentration auf.

Mit ihrer Veröffentlichung haben die Würzburger Wissenschaftler nun einen weiteren Hinweis auf die Verwandtschaft der zwei Botenstoffe geliefert. Ihr Fazit: Es wird immer deutlicher, dass Octopamin und Noradrenalin bei der Aggression eine Rolle spielen.

[science.ORF.at, 4.2.08]
->   Biozentrum Würzburg
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Wespen machen aus Kakerlaken "Zombies" (30.11.07)
->   Fliegen-Genetik: Sex und Aggression sehr ähnlich (20.11.06)
 
 
 
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01.01.2010