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Rot, aber geschmacklos
Wo das Erdbeeraroma verloren ging
 
  Seit einiger Zeit locken sie wieder in den Supermärkten: Erdbeeren, schön anzuschauen und perfekt rot gefärbt. Zu Hause erlebt man dann die böse Überraschung. Denn das beliebte Erdbeeraroma ist nicht zu merken, maximal ein wässriger, undefinierbarer "Eindruck" entsteht im Mund. Deutsche Forscher konnten nun den Geschmacksverlust in den Aromaprofilen der Pflanzen lokalisieren.  
Dem verlorenen Geschmack kamen die Experten des deutschen Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen durch den Vergleich von Wild- und Kulturtypen auf die Spur. Dabei fanden die Züchtungsforscher heraus, dass der Geschmack bei der Kultivierung besonders haltbarer Sorten unter die Räder gekommen ist.
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Die Forscher um Detlev Ulrich präsentierten ihre Ergebnisse bei der Tagung der deutschen Gesellschaft für Qualitätsforschung am 17. und 18. März 2008.
->   Details zur Tagung
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Komplexes Erdbeeraroma
 
Bild: ¿PV/JKI

Das Erdbeeraroma ist laut den Forschern eine komplexe Angelegenheit: Anders als bei der Kirsche, wo für den Geschmack lediglich zwei bis drei Substanzen zuständig sind, lassen sich in der Erdbeere 360 geschmacksrelevante Substanzen nachweisen. Auch die Sortenvielfalt ist enorm, auch wenn viele Varianten in Vergessenheit geraten sind.

Der gute Geschmack wurde - so scheint es - bei den Anforderungen, die insbesondere der Handel an die roten Früchte stellt, nach hinten gereiht.

Es wurde immer wichtiger, dass die Erdbeeren lange halten, weshalb jahrelang an besonders widerstandsfähigen Sorten gearbeitet wurde. Dabei blieb aber leider der Geschmack auf der Strecke, wie die Wissenschaftler bedauernd feststellen.
Analyse der Inhaltsstoffe
Eigentliches Ziel der Forscher ist es laut Aussendung, neue robuste Sorten mit möglichst viel Aroma zu züchten. Auf dem Weg dahin mussten sie aber erst einmal klären, welche genetischen Faktoren in der Pflanze für den besonderen Geschmack verantwortlich sind.

Um das Aromamuster zu ermitteln, setzten die Experten die sogenannte Headspace-SPME-Gaschromatographie ein. Damit wurden Kultur- und Wildformen der Erdbeere auf 200 Inhaltsstoffe überprüft und die Ergebnisse in Tabellen gegossen.
Aromaprofile im Vergleich
 
Bild: Ulrich/JKI

Wie das Bild oben zeigt, kamen bei den Aromaprofilen große Unterschiede zum Vorschein: Oben ist die Zusammensetzung der alten Sorte "Mieze Schindler" zu sehen.

Wie man anhand der ausgeprägten schwarzen Balken sehen kann, verfügt diese Variante über die blumig-fruchtige, walderdbeerartige Note, die man an Erdbeeren gemeinhin so mag.

Bei der "Elsanta", einer der häufigsten Handelssorten, fehlen hingegen fast alle aromarelevanten Substanzen. Ihr Aromaprofil ist in der unteren Grafik zu sehen.
Genetische Erosion der Schlüsselsubstanz
"Wir beobachten bei der Erdbeersortenzüchtung eine so genannte genetische Erosion zum Beispiel des Methylanthranilats", erklärt Forschungsleiter Detlef Ulrich.

Diese Schlüsselsubstanz kommt in den alten Sorten noch reichlich vor, in den "Hochleistungssorten, die heute auf dem Markt sind, ist sie jedoch nicht mehr nachweisbar", so Ulrich.

Die Schlüsselsubstanz verliere sich offensichtlich sehr schnell im "Glücksspiel der Erbanlagen, das die Züchter betreiben", bringt der Forscher die Entwicklung auf den Punkt.
Geschmack UND Widerstandsfähigkeit
Nachdem die alten Sorten wie die "Mieze Schindler" kaum gelagert werden können, wollen die Züchtungsexperten mit ihren Erkenntnissen nun einen weiteren Versuch wagen: Sie möchten aus dem Aromareservoir alter Sorten und Wildarten schöpfen und in neuen Sorten alle geforderten Eigenschaften kombinieren.

[science.ORF.at, 21.03.08]
->   Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
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01.01.2010