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Tobias Portschy - ein "Prediger der NSDAP"  
  Vor 70 Jahren, am 10. April 1938, hat Adolf Hitler den "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland durch eine "Volksabstimmung" nachträglich legitimieren lassen. Beim Erinnern an solche Anlässe Zeit steht zumeist die Parteiprominenz im Mittelpunkt. Doch wie verlief vor und nach dem "Anschluss" die Karriere jener Leute, die zur lokalen NS-Elite gehörten? Die Historikerin Ursula Mindler hat das Leben des burgenländischen NS-Regionalpolitikers Tobias Portschy in ihrer Diplomarbeit nachgezeichnet.  
Ehre und Treue
von Ursula Mindler

"Als Deutscher, der weiß, was Ehre und Treue heißt, kann ich nichts anderes als Nationalsozialist sein." Diese Äußerung aus dem Jahr 1933 stammt von Tobias Portschy, der 1905 im damals ungarischen Unterschützen (heute Bezirk Oberwart) geboren wurde und nach dem Schulbesuch in Oberschützen in Wien Jus studierte.

In seinem Auslandssemester in Göttingen kam er mit dem Nationalsozialismus erstmals bewusst in Kontakt, wurde nach seiner Rückkehr Parteimitglied und begann in Oberwart mit dem Aufbau der NSDAP. Als diese 1933 verboten wurde, arbeitete er - trotz mehrmaliger langer Haftstrafen (insgesamt 15 Monate Haft) - mit großem Erfolg als "Illegaler" weiter.

Im Mai 1935 wurde er illegaler Gauleiter des neu geschaffenen "Gaues Burgenland", und nach dem "Anschluss" im März 1938 war er offiziell für kurze Zeit Gauleiter und Landeshauptmann des Burgenlandes.

Seine Pläne zur Errichtung eines eigenen "Gaues Südost" scheiterten jedoch, und er wurde im Mai 1938 Stellvertretender Gauleiter von Steiermark, wo er auf vergleichsweise einflusslose Ämter abgeschoben wurde.
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Verein "textfeld"
Dieser Text von Ursula Mindler wurde science.ORF.at vom Verein "textfeld" zur Verfügung gestellt. Der 2001 von Studierenden - damals unter dem Namen mnemopol - gegründete Verein versucht, studentischen Texten mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Zentrale Plattform ist die Website, auf der die Texte publiziert werden und Vernetzung über gemeinsame Inhalte stattfindet. Der Zugang zur Website ist kostenlos, man muss keiner Universität angehören, um auf "textfeld" veröffentlichen zu können.
->   textfeld
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"Zigeuner und Juden untragbar"
Als überzeugter Antisemit vertrat Portschy die Meinung, dass "Zigeuner und Juden seit der Gründung des Dritten Reiches untragbar" waren. Zwar half er manchen Juden, damit sie emigrieren konnten, gleichzeitig wurden jedoch antijüdische Maßnahmen getroffen (Wahlverbot, "Arisierungen", Vertreibungen etc.).

Ebenso hetzte er gegen Roma. Traurige Berühmtheit erlangte seine "Denkschrift zur Zigeunerfrage", wo er u. a. die Einweisung von "Zigeunern" in Zwangsarbeitsanstalten sowie ihre Sterilisierung forderte. In seiner kurzen Amtszeit als Landeshauptmann kriminalisierte er sie und entzog ihnen ihre Lebensgrundlage (Zwangsarbeit, Musizier-, Schulbesuchsverbot etc.).

Er verfolgte aber auch "Asoziale": Seinen eigenen Cousin ließ er wegen "Gemeinschaftsunfähigkeit" über die Gestapo ins KZ Mauthausen bringen, wo dieser 1939 starb.
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Ein Auszug der Diplomarbeit "Tobias Portschy. Biographie eines Nationalsozialisten" ist unter textfeld.ac.at nachzulesen. Die Arbeit ist als Buch in den Burgenländischen Forschungen erschienen.
->   Zum Text
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15 Jahre Kerker
Nach Kriegsende hielt er sich erst versteckt, stellte sich aber schließlich der britischen Besatzungsmacht, die ihn in das Kriegsgefangenenlager Wolfsberg einwies. Sein Name fand sich auf der ersten Liste österreichischer Kriegsverbrecher. 1949 wurde er in Graz von einem Volksgericht zu 15 Jahren schweren Kerker verurteilt.

Er wurde für schuldig befunden, vor 1938 "Illegaler", dann Gauobmann der DAF (Deutschen Arbeitsfront), Gauleiter-Stellvertreter bzw. zeitweilig auch Gauleiter von Steiermark, SS-Oberführer sowie Träger des Blutordens, Träger des goldenen Ehrenzeichens der NSDAP und des goldenen HJ-Ehrenzeichens gewesen zu sein. Bereits 1951 wurde er bedingt aus der Haft entlassen und 1957 endgültig amnestiert.
Überzeugt bis zuletzt
Nach seiner Entlassung arbeitete er im Elektrogroßhandel (ab 1954 bei "Alpenlandhandel - Portschy & Co.") und zog 1979 ins Hotel "Rose" nach Rechnitz. Dort war er auch Aufsichtsratspräsident einer Bank sowie Obmann des Fremdenverkehrsverbandes und des Kameradschaftsbundes.
Portschy blieb bis zu seinem Tode 1996 ein überzeugter Nationalsozialist: "Ich bereue nichts. Ich bekenne mich zu meiner Vergangenheit."

[10.4.08]
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Die Autorin
Ursula Mindler, geboren 1979, studierte Geschichte und arbeitet seit 2005 an ihrer Dissertation. Sie ist Mitarbeiterin eines Forschungsprojekts an der Karl-Franzens-Universität Graz ("Nationalsozialistische Herrschaftspraxis im Gau Steiermark").
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01.01.2010