News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Mäuse: Mehr rote Blutkörperchen durch "Hautdoping"  
  Sinkt der Sauerstoffgehalt der Umgebung, vermehren sich bei Mäusen die roten Blutkörperchen rasant. Offenbar besitzt die Haut einen speziellen Rezeptor, der den Körper über die Sauerstoffsättigung der Umgebung "informiert". Könnte man die Aktivität dieses Rezeptors manipulieren, wäre einer neuen Form von Doping Tür und Tor geöffnet.  
"Die Haut schickt offenbar Signale an die Nieren, Erythropoietin zu produzieren, was zur vermehrten Bildung von roten Blutkörperchen führt", erklärt der Molekularbiologe Randall Johnson von der Universität Kalifornien in San Diego.
...
Von der neuen Rolle der Haut als "Sauerstofffühler" berichtet Johnson im Journal "Cell" unter dem Titel "Epidermal Sensing of Oxygen Is Essential for Systemic Hypoxic Response" (erschienen am 18. April 2008, DOI 10.1016/j.cell.2008.02.038).
->   Zum Abstract
...
Entdeckung durch Zufall
Bisher wusste man nur von Fröschen und anderen Amphibien, dass sie die Sauerstoffkonzentration in der Umgebung über ihre Haut wahrnehmen können. Dass dies nun auch bei einem Säugetier bestätigt wurde, kam eher zufällig, schildert der Molekularbiologe Randall Johnson von der Universität Kalifornien in San Diego in "Science Now":

Eigentlich arbeitete er an einem Experiment zu Hautkrebs, als ihm eine Besonderheit in der Zusammensetzung des Mäuseblut auffiel. Jene Tiere, denen ein bestimmtes Gen in der Haut fehlte, hatten so viele rote Blutkörperchen, dass das Blut "fast schlammig wirkte", so Johnson.
Die Maus am Mount Everest
Es musste also einen Kommunikationsweg geben zwischen Haut und Blut, war sich Johnson sicher. Um herauszufinden, wie diese Informationsweitergabe funktioniert, zog der Forscher wieder die Mäuse heran, denen das Gen HIF-1alpha in der Haut fehlte.

Um zu überprüfen, ob es tatsächlich dieses Gen ist, das die Hauptrolle bei der Reaktion des Körpers auf Sauerstoffmangel spielt, setzte der Molekularbiologe die manipulierten Mäuse einer Atmosphäre mit nur zehn Prozent Sauerstoff aus. Das wäre, als würde man die Tierchen auf den Gipfel des Mount Everest setzen, heißt es in der Studie.
Mehr EPO bei wenig Sauerstoff
Und tatsächlich: Während sich bei normalen Mäusen die EPO-Produktion unter diesen Bedingungen verdreißigfachte, stieg sie bei den gentechnisch veränderten Mäusen nur geringfügig an. Höhere HIF-1alpha-Aktivität, mehr EPO, mehr rote Blutkörperchen lautet also der Zusammenhang.
...
Das Dopingmittel EPO
Erythropoietin gelangte unter der Abkürzung EPO zu trauriger Berühmtheit: Die künstlich hergestellte Variante des Peptidhormons gilt als verbotenes, dennoch aber weit verbreitetes Dopingmittel, weil es durch die erhöhte Produktion von roten Blutkörperchen die Leistungsfähigkeit und Ausdauer von Sportlern steigert.
->   Blutdoping mit Erythropoietin (EPO)
...
Ähnliche Ionenkanäle wie in der Lunge
Was passiert nun, wenn man die Genaktivität künstlich erhöht? Johnson probierte das aus, indem er auf die Haut der Tiere Nitroglycerin auftrug, das die Durchblutung anregte. Und siehe da: Auch die Zahl der roten Blutkörperchen schoss in die Höhe. Damit konnte bestätigt werden, dass mehr Blut im Hautgewebe die Produktion von EPO anregt.

Wie genau diese Informationsweitergabe von der Haut an die Nieren funktioniert, kann Johnson nicht sagen. Vermutlich spielen aber ähnliche Ionenkanäle eine Rolle, die auch bei der Sauerstoffwahrnehmung durch die Lunge aktiv sind.
Legales "Hautdoping"
Die Feststellung, dass es auch bei Säugetieren einen Zusammenhang zwischen der Sauerstoffwahrnehmung durch die Haut und dem Blut gibt, löst in Zeiten ständiger Doping-Schlagzeilen wilde Spekulationen aus:

Randall Johnson selbst spricht in "Science Now" die Möglichkeit an, legales EPO-Doping über die Haut zu betreiben. Es würde schon reichen, die Haut sauerstoffarmer Luft etwa in speziellen Zelten auszusetzen, um die Zahl der roten Blutkörperchen in die Höhe zu treiben.
Medizinischer Nutzen
Abseits der illegalen Nutzung könnte die Entdeckung aber auch medizinischen Nutzen haben: Nitroglycerinpflaster könnten bei Menschen, die aufgrund einer Nierenerkrankung oder Krebs an einem geringen EPO-Spiegel leiden, die Bildung roter Blutkörperchen anregen.

[science.ORF.at, 18.4.08]
->   Randall Johnson
Mehr zum Thema Blutdoping in science.ORF.at:
->   Doping: Hämoglobin laut Studie "stabile Variable" (24.11.06)
->   "Dopingmittel" EPO hilft Schizophrenie-Patienten (13.10.06)
->   Doping-Sündern mit neuem Gerät auf der Spur (5.9.06)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010