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Regenwald leidet unter sauberer Luft  
  Massive Trockenperioden in Amazonien werden in 20 Jahren nicht Ausnahme, sondern Regelfall sein, prognostizieren Klimaforscher. Sie haben in ihrer Studie auch ein bemerkenswertes Detail entdeckt: Die Verbesserung der Luftqualität in Industrieländern schadet paradoxerweise dem Amazonasgebiet. Der Grund: Die Luftverschmutzung brachte dieser Region Niederschläge, dieser Effekt fällt nun offenbar weg.  
Kohlenstoff- und Wasserspeicher
Im Februar dieses Jahres stellten Klimaforscher eine Studie vor, in der sie neun neuralgische Knoten im System "Weltklima" festmachten. Unter anderem dabei: Der Grönländische Eisschild und das arktische Meereis, die Borealwälder im Norden der Erde sowie der Amazonasregenwald.

Letzterer speichert ein Zehntel des gesamten Kohlenstoffes, der auf den Kontinenten vorhanden ist, ebenso groß ist der Anteil an der weltweiten Biomasseproduktion, durch die Flüsse des Amazonasbeckens fließt gar ein Fünftel des Süßwassers unseres Planeten.

Dass Störungen in diesem ökologischen Kosmos Auswirkungen auf das Weltklima haben, ist angesichts dieser Zahlen nicht verwunderlich. Umso beunruhigender ist es, wenn man die Meldungen der letzten Monate und Jahre verfolgt: Mittlerweile ist rund ein Fünftel des Amazonasregenwaldes zerstört, bis 2030 könnten der grünen Lunge Südamerikas weitere 20 Prozent abhanden kommen, prognostizieren Wissenschaftler.
2005: Das Jahr ohne Niederschläge
Die Gründe für diesen Schwund sind vielfältig. In diesem Zusammenhang denkt man zunächst an Abholzung, Trockenheit und Erderwärmung, weniger jedoch an Temperaturgradienten im Meer oder gar die Verbesserung der Luftqualität. Doch auch die letzten beiden Faktoren haben entscheidenden Einfluss auf das Schicksal des Regenwaldes, wie eine Studie von britischen und brasilianischen Forschern zeigt (Nature Bd. 453, S. 212).

Peter M. Cox von der University of Exeter und seine Kollegen ließen ein aktuelles Klimamodell am Computer laufen, das als eines von weltweit dreien die Niederschläge in diesem Gebiet befriedigend abbilden kann.

Besonders schlecht stand es in dieser Hinsicht vor drei Jahren. 2005 ereignete sich nämlich in Amazonien die schlimmste Trockenperiode der letzten hundert Jahre, der Wasserstand der Flüsse Solimoes und Madeiras war so niedrig, dass die Schifffahrt auf deren Nebenarmen eingestellt werden musste.
Prognose: Amazonien trocknet aus
Die Simulation von Cox und Kollegen legt nun nahe, dass solche Ereignisse deutlich häufiger werden. Ab 2025 dürfte jedes zweite Jahr eine Trockenperiode dieser Größenordnung auftreten, ab 2060 gar in neun von zehn Jahren.

Die Analyse der Klimaforscher zeigt außerdem, dass solche Ereignisse von steigenden Wassertemperaturen im Nordatlantik abhängen. Der Zusammenhang ist folgender: Temperaturunterschiede im Atlantik können offenbar den südamerikanischen Monsun verzögern, weswegen der Regen mitunter spät oder gar nicht in Amazonien ankommt.
Kühleffekt fällt weg
Paradoxerweise wird dieser Prozess durch die Verbesserung der Luftqualität in Industrieländern gefördert. In den 70ern und 80ern wurden nämlich viele Schwefelaerosole von Kohlekraftwerken in die Luft geblasen, die im Bereich des Nordatlantik für Abkühlung sorgten, weil sie Sonnenlicht reflektieren sowie die Wolkenbildung verstärken.

Fazit der Studie: Durch die Verringerung des Schwefelausstoßes in vielen Industrieländern ist diese Pufferwirkung nun weggefallen, der Atlantik wird wärmer und Amazonien trockener. Freilich kann die Lehre daraus nicht sein, wieder möglichst viel Kohle zu verbrennen - im Gegenteil: "Diese Ergebnisse zeigen uns wieder, wie komplex der Klimawandel ist", sagt Peter Cox.

"Um die Luftqualität zu verbessern und unsere Gesundheit zu schützen müssen wir weiterhin die Aerosol-Produktion drosseln. Unsere Studie zeigt aber, dass diese Maßnahme begleitet werden muss von einer sofortigen Reduktion des CO2-Ausstoßes. Nur so können wir das Waldsterben im Amazonasgebiet gering halten."

[science.ORF.at, 8.5.08]
->   Peter Cox
->   Amazonien - Wikipedia
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01.01.2010