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Wissenschaftler wollen "Mein Kampf" herausgeben  
  Das ideologische Grundwerk des Nazi-Terrors, Hitlers "Mein Kampf", darf bis 2015 nicht veröffentlicht werden. In dem Jahr läuft der Urheberschutz aus. Nun ist die Debatte über eine kommentierte Ausgabe neu entbrannt.  
Kein verborgenes Buch
Tausendfach staubt das Buch in Kellern vor sich hin, Antiquariate handeln es unter dem Ladentisch, im Ausland wurde es in zahlreichen Sprachen gedruckt, und auch im Internet ist es zu finden: Adolf Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" ist 63 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs durchaus kein verborgenes Buch - und das, obwohl in Deutschland und Österreich der Verkauf und der Nachdruck gesetzlich verboten sind.

Sieben Jahre vor dem Ende des Urheberschutzes ist die Debatte um eine wissenschaftlich kommentierte Ausgabe des Buchs, in dem der Diktator alle seine zerstörerischen Pläne langatmig und mit sprachlichen Schwächen offen legte, wieder voll entbrannt.
Freistaat Bayern verweigert kritische Edition
Bisher weigert sich der Freistaat Bayern, dem nach Kriegsende die Verwertungsrechte übertragen wurden, mit Verweis auf den Respekt gegenüber den Opfern des Holocaust, eine kritische Edition vor 2015 zuzulassen.

"Hiervon abzurücken, würde weltweit enorme politische Aufmerksamkeit erregen und vermutlich auf großes Unverständnis stoßen", heißt es in einer Erklärung des zuständigen Finanzministeriums.
Ausgabe könnte Missbrauch vorbeugen
Kürzlich schaltete sich das Kuratorium des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ein und forderte eine wissenschaftliche Ausgabe, um einem Missbrauch des Hass-Pamphlets durch Neonazis vorzubeugen.

Nach jahrelanger Funkstille könnte nun Bewegung in die Debatte kommen: Das Finanzministerium zeigte sich bereit, "einen Meinungsaustausch in dieser Frage zu suchen".
Erforschung der Quellen jetzt beginnen
Die Zeit drängt. "Die Quellen zu 'Mein Kampf' sind noch nicht wirklich erforscht. Wir müssten jetzt bald anfangen", sagt der Leiter der Abteilung NS-Forschung am Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ), Volker Dahm.

Mindestens im nächsten Jahr müsse die Arbeit beginnen, um eine Edition bis 2015 fertigzustellen. "Wenn man solchen Texten das Geheimnisvolle, das Verbotene nimmt, dann werden sie für bestimmte Kreise schon uninteressant", sagt Dahm.
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Anti-humanes Denken offengelegt
In zahlreichen Bänden hat das IfZ bereits Hitler-Dokumente publiziert. "Nur das Hauptwerk ist nicht dabei", sagt Dahm. Dabei sei das 1924 in Festungshaft in Landsberg am Lech entstandene Werk die wichtigste Quelle zur Ideologie und Politik des Dritten Reiches. Hitler lege darin sein "antihumanes Denken vollkommen und ohne taktische Rücksichten offen".
->   Institut für Zeitgeschichte (IfZ)
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Geschäft mit Hass-Pamphlet droht
Eckart Dietzfelbinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Doku-Zentrums Reichsparteitagsgelände, sagt: "Die einzige Möglichkeit, um Mythen- und Legendenbildung zu verhindern, wäre eine kommentierte Edition." Das Buch lese sich schrecklich. "Hier wurde Klartext geredet, und alles was da drin steht, ist umgesetzt worden".

Ab 2015 drohe mit dem Hass-Pamphlet Kommerz gemacht zu werden, wenn es nicht eine wissenschaftliche Ausgabe auf dem Markt gebe. Das Finanzministerium hält dem entgegen, dass ein unkontrollierter Nachdruck von "Mein Kampf"" auch nach 2015 nicht zulässig sei.
Zentralrat: Meinungen geteilt
Im Zentralrat der Juden in Deutschland sind die Meinungen geteilt. Präsidentin Charlotte Knobloch, die ebenfalls dem Nürnberger Kuratorium angehört, äußert sich zurückhaltend. Zwar warnt sie vor der "Gefahr der unbeschränkten Verbreitung des Schandwerkes" durch Neonazis ab 2015.

"Nichtsdestotrotz halte ich in dieser Frage weitsichtiges und sensibles Abwägen für angezeigt - insbesondere mit Rücksicht auf die Gefühle der Überlebenden", sagt sie gegenüber dpa. Denn ein Großteil lehne den Nachdruck aus verständlichen Gründen ab.

Anders sieht es der Generalsekretär des Zentralrates, Stephan Kramer. "Um dieses Buch schwelgt eine Aura, die man mit harten Fakten aufbrechen kann", sagt er der dpa. Mit einer kommentierten Ausgabe könnte man nach seiner Ansicht auch mit dem Vorurteil aufräumen, man hätte damals nicht gewusst, was Hitler wirklich wollte.

Dorothea Hülsmeier/dpa, 19.5.08
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01.01.2010