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USA: Evolution siegt vor Gericht, verliert in den Schulen  
  Der Streit zwischen Wissenschaft und religiös motivierten Evolutionskritikern hat in den USA schon zu manchem Rechtstreit geführt. Die Entscheidung der Gerichte war immer eindeutig: Es widerspricht der amerikanischen Verfassung, religiöse Alternativen zur Evolutionstheorie zu unterrichten. Dennoch macht dies immerhin einer von acht Biologielehrern an der Highschool.  
Das belegt eine aktuelle nationale Studie des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Michael B. Berkman. Demnach sind gerichtliche Siege nicht genug, wenn man erreichen möchte, dass die Evolutionstheorie ausreichend in den Unterricht integriert wird. Vielmehr müsse vor allem die Ausbildung der Lehrer verbessert werden.
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Der Artikel "Evolution and Creationism in America's Classrooms: A National Portrait" von Michael B. Berkman et al. ist in der "Public Library of Science" (20. Mai 2008, DOI:10.1371/journal.pbio.0060124) erschienen.
->   Artikel (sobald online)
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Unterricht entspricht nicht den Vorgaben
Es gibt in den USA zwar keinen landesweit fixierten Lehrplan, aber es existieren allgemeine Richtlinien über Unterrichtsinhalte. Die einzelnen Bundesstaaten leiten daraus ihre Vorgaben für die Lehre ab. Diese können stark variieren, aber alle betonen die relative Wichtigkeit der Evolutionstheorie. Laut der US-amerikanischen "National Academy of Science" ist sie das zentrale Konzept in der Biologie.

In vielen Fällen sieht der Unterrichtsalltag jedoch ganz anders aus. Laut Michael B. Berkman vom Department of Political Science der Pennsylvania State University setzt sich die Wissenschaft zwar vor Gericht durch, verliert aber an den Schulen.
Große Unterschiede im Biologieunterricht
Ziel der landesweiten Befragung von knapp tausend Lehrern war nicht nur die genaue Erhebung des Anteils der anerkannten und nicht anerkannten Theorien am Unterricht, sondern auch mögliche Ursachen für diese Verteilung zu finden.

Die Zeitmengen, welche die Lehrer der Evolutionstheorie widmeten, variierten stark und zwar landesweit, großteils unabhängig von den Standards des jeweiligen Bundesstaates. Der Großteil der Befragten verbrachte im Lauf eines Schuljahrs zwischen drei und 15 Stunden damit. Der Anteil der menschlichen Evolution war noch deutlich geringer.
Lehrinhalte sind eine Frage der Einstellung ...
Durch Hintergrundfragen fand das Team rund um Berkman heraus, dass die Bedeutung der Evolutionstheorie im Unterricht weniger von staatlichen Vorgaben, denn von Einstellungen und Wissen des einzelnen Lehrers abhängt.

So glaubt etwa weniger als ein Drittel der Befragten, dass Gott in der Evolution keine Rolle gespielt hat, beinahe die Hälfte meint, er habe zumindest mitgeholfen im Sinn von Intelligent Design. 16 Prozent sind eindeutige Anhänger des Kreationismus, welcher besagt, dass der Mensch in seiner heutigen Form in den letzten 10.000 Jahren von Gott geschaffen wurde.

Das seien zwar deutlich weniger als in der US-amerikanischen Gesamtbevölkerung - dort glauben dies laut einer Umfrage aus dem Jahr 2007 sogar fast die Hälfte - aber für naturwissenschaftlich Ausgebildete immer noch recht viele. Die Lehrer mit dem kreationistischem Weltbild sind auch jene, in deren Unterricht die Evolutionslehre am seltensten vorkommt. Manche von ihnen präsentieren dafür den Kreationismus als mögliche wissenschaftliche Alternative.
... und der Ausbildung
Der zweite wesentliche Aspekt neben dem eigenen Glauben ist laut Berkman die Ausbildung der Lehrer. Die Studie habe nämlich auch gezeigt, dass jene, die sich während des Studiums am ausführlichsten mit der Evolutionstheorie beschäftigt hatten, dieser auch deutlich mehr Platz im Unterricht einräumten. Fundiertes Wissen könnte helfen, wissenschaftliche Tatsachen angemessen zu vermitteln, wenn nötig, auch gegen den Widerstand der Eltern oder der Schulgemeinschaft.

Die resultierende Empfehlung der Forscher: Die Bildungsstandards für Biologielehrer anheben und zumindest einen verpflichtender Kurs in Evolutionstheorie im Rahmen der Lehrerausbildung einführen.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 20.5.08
->   Michael B. Berkman
->   The Pennsylvania State University
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01.01.2010