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Expertenstreit: Hybride, Zybride oder Embryonen?  
  Zu Wochenbeginn hat das britische Unterhaus beschlossen, Tier-Mensch-Chimären zu Forschungszwecken generell zu erlauben. Seither wird auch in Österreich diskutiert, worum es sich dabei überhaupt handelt. Als ethischer Kampfbegriff wird dabei das Wort "menschliche Embryonen" verwendet - und suggeriert damit eine Menschenwürde, die es zu schützen gelte.  
Dass diese Bezeichnung für den Beschluss des britischen Parlaments falsch ist, unterstreicht der Bioethiker Ulrich Körtner im science.ORF.at-Interview.

Und selbst wenn man ihn unkorrekterweise verwendete, würde das zumindest in Österreich seiner Schutzwürde nichts helfen: In den einschlägigen Gesetzen komme das Wort nämlich gar nicht vor.
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Vorgeschichte: Ja des britischen Parlaments
Mit 336 zu 176 Stimmen wiesen die Abgeordneten des britischen Unterhauses am Montagabend einen Antrag zurück, Forschung mit den Mensch-Tier-Chimären generell zu verbieten.
->   Mehr dazu in science.ORF.at (20.5.08)
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Heftiger Disput
Nicht nur Vertreter der Politik und Kirche reagierten diese Woche heftig. Auch die Fachwelt meldete sich mit zum Teil heftigen Äußerungen zu Wort. Wilfried Feichtinger von der Medizin-Uni Wien, seines Zeichens "Pionier der In-vitro-Fertilisation" (IVF), meinte etwa, dass die Tier-Mensch-Chimären definitionsgemäß nicht als "Embryonen" zu bezeichnen seien. Denn dieser Begriff werde erst ab der Einpflanzung in der Gebärmutter angewendet.
"Biologische Artefakte" ....
Der Bioethiker und evangelische Moraltheologe Ulrich Körtner schlägt nun in dieselbe Kerbe: "In der Embryologie ist es üblich, verschiedene Phasen terminologisch zu unterscheiden, von der befruchteten Eizelle, der Zygote, über die Morula bis zu den Blastozysten und Embryoblasten, aus denen heraus sich erst ein Embryo entwickeln kann. Bei diesen Frühformen von kleinen Menschen zu sprechen, ist hanebüchern."

Was in Großbritannien nun erlaubt ist, bezeichnet er als "biologische, embryoartige Artefakte, die ganz sicher nicht zu Fortpflanzungszwecken erzeugt werden, wie manche Kritiker meinen."
... oder menschliche Embryonen
Nicht einverstanden dürfte damit Matthias Beck sein. Der Mediziner und Moraltheologe der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien hat sich laut Kathpress dagegen gewehrt, die Diskussion als Begriffsklauberei zu verstehen. Vielmehr "breche darin letztlich die Frage nach der ethischen Beurteilung der Hybridenproduktion und -forschung an sich auf". Mit der Bezeichnung "Embryo" sei zugleich auch die "Schutzwürdigkeit dieser Wesen" verbunden.

Für Beck handelt es sich bei dem von britischen Wissenschaftlern geschaffenen Klon um einen "mit tierischen Genen verunreinigten menschlichen Embryo".

Auch wenn dieser nach derzeitigem Wissensstand keine Überlebenschance besitze und nach etwa 14 Tagen absterbe, sei er dennoch zu schützen. Die Forschung mit derartigen Chimären sei abzulehnen, da sie "verzweckt" und allein aus Forschungsgründen produziert würden.
Der Schutzwürdigkeit bringt das nichts
Der Moraltheologe Ulrich Körtner hält dem gegenüber science.ORF.at entgegen: "Selbst wenn man den Begriff Embryo unscharf für alle Frühphasen verwendet, findet ich es noch immer unklar, warum damit bereits die Schutzwürdigkeit verbunden sein soll. Zum einen gibt es ja tierische und menschliche Embryonen. Zum anderen steht im österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz nichts von Embryonen, sondern von entwicklungsfähigen Zellen, Gameten."

Auch Körtner sieht darin eine Gesetzeslücke, die es zu füllen gilt. Mit der fälschlichen Verwendung des Wortes "Embryonen" in der aktuellen Diskussion soll vor allem Stimmung gemacht werden. Er plädiert für mehr Sachlichkeit und biologische Sachkenntnis.
Zybride - besser als Klonen?
Dazu gehört es auch, die britischen Versuche als "Zybride" zu bezeichnen. Während echte Hybride das Erbgut von Menschen und Tier in etwa zu gleichen Anteilen enthalten würden, bestehen Zybride aus tierischem Zytoplasma und menschlichen Zellkern - also zu 99,9 Prozent aus humaner DNA.

Wer gegen diese Zybride etwas hat, müsse auf Alternativen zurückgreifen - und die bestünde im therapeutischen Klonen.

"Dafür sind aber Eizellen notwendig und das verweist auf die gesamte Problematik des Eingriffs in und die Kommerzialisierung des weiblichen Körpers", so Körtner. Wenn man das vermeiden will, seien Zybriden die bessere Wahl.

[science.ORF.at/APA, 23.5.08]
->   Ulrich Körtner in science.ORF.at
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Embryonen aus Mensch und Tier hergestellt (2.4.08)
 
 
 
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01.01.2010