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Fruchtfliegen: "Junges" Gen reduzierte Homoerotik  
  Bei vielen Fruchtfliegenarten umwerben Männchen nicht nur Weibchen, sondern häufig auch ihresgleichen. Um dieses Verhalten zu reduzieren, hat sich laut einer aktuellen Studie bei der bekannten Art Drosophila melanogaster sogar ein eigenes Gen entwickelt. So erhöhte sich vermutlich der Fortpflanzungserfolg.  
Die Wissenschaftler rund um Hongzheng Dai von der University of Chicago konnten zeigen, dass die gleichgeschlechtliche Balz deutlich öfter auftritt, wenn das entsprechende Gen unterdrückt wird.
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Die Studie "The evolution of courtship behaviors through the origination of a new gene in Drosophila" von Hongzheng Dai et al. erscheint zwischen 27. Und 30. Mai in den "Proceedings of the National Academy of Science" (Bd. 105, DOI: 10.1073/pnas.080069105).
->   Studie (sobald online)
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Verschiedene Gene steuern das Balzverhalten
Das Paarungsverhalten der Drosophila ist für ein eher einfach anmutendes Lebewesen relativ komplex, dabei werden - bevor es zur eigentlichen Vereinigung kommt - diverse Balzrituale durchlaufen. Nicht zuletzt deshalb war es in den letzten Jahren ein beliebtes Thema in der genetischen Forschung, Es wurden bereits einige Gene gefunden, die dabei eine wesentliche Rolle spielen.

Eines der am besten erforschten Gene des beliebten Modellorganismus ist das sogenannte "fruitless"-Gen, dessen Effekte in Zusammenhang mit dem Sexualverhalten der Tiere von der Forschungsgruppe rund um Barry Dickson vom Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) beschrieben wurden.
Sich schnell entwickelnde Gene
Die aktuelle Forschungsarbeit von Hongzheng Dai vom Department of Ecology and Evolution der University of Chicago und seinen Kollegen beschäftigt sich mit einem bestimmten Typus von Genen. Diese Gene entstehen aus der Kombination von Genen oder aus deren Duplikaten.

Diese entwickeln sich laut den Wissenschaftlern sehr rasch, was darauf deutet, dass sie auch neue Funktionen haben. Um den Entwicklungsprozess dieser Gene zu verstehen, müsse man untersuchen, welche Effekte sie auf der Verhaltensebene bewirken. Diese könnten nämlich der Grund für die schnelle Evolution sein.

Eines dieser Gene - das sogenannte Sphinx-Gen - steht im Zentrum der neuen Studie, entwickelt hat es sich in den letzten zwei bis drei Millionen Jahren.
Deutlich höheres Interesse an Männchen
Für die Untersuchung deaktivierten die Wissenschaftler das Gen bei einer Gruppe von Fruchtfliegen und verglichen diese mit der natürlich vorkommenden Art.

Äußerlich war die Neuzüchtung nicht zu unterscheiden, abgesehen von der Tatsache, dass sich die Männchen während der Balz deutlich häufiger für ihresgleichen interessierten als ihre unveränderten Artgenossen. Männliche Fliegen ohne Sphinx-Gen beschäftigten sich sogar zehnmal länger mit ihren eigenen Geschlechtsgenossen als jene mit funktionierendem Gen.

Dabei durchliefen sie alle Phasen der arttypischen Annäherung: berühren, klopfen, mit den Flügeln singen, lecken, nur die Kopulation entfällt. Interessanterweise zeigte sich bei den weiblichen Tieren keinerlei Verhaltensänderung.
Gen erhöht den Fortpflanzungserfolg
Aus früheren Studien an verschiedenen Fruchtfliegenarten weiß man, dass homosexuelles Paarungsverhalten recht häufig vorkommt, vergleichsweise seltener allerdings bei Drosophila melanogaster, wie die Forscher rund um Dai im Rahmen der aktuellen Studie feststellten.

Laut den Forschern könnte sich das Sphinx-Gen bei der Drosophila melanogaster genau deshalb so schnell entwickelt haben. Zwischenmännliches Paarungsverhalten wurde dadurch reduziert, was sich indirekt auf den Fortpflanzungserfolg der Art auswirkt.

Das sei zumindest die genetische Erklärung, natürlich könnten auch andere Faktoren - wie etwa Umwelteinflüsse - eine Rolle bei der Entwicklung des Gens gespielt haben.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 27.05.08
->   Department of Ecology and Evolution, University of Chicago
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01.01.2010