News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
"Eis-Bibliothek" für wilde Tiere wird gegründet  
  Das populäre Tierlexikon "Brehms Tierleben" bekommt einen modernen Nachfolger: Er heißt "Cryo-Brehm Deutsche Zellbank für Wildtiere Alfred Brehm" und sammelt das tiefgefrorene Erbgut wilder Tiere.  
Wissenschaftler der deutschen Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie (EMB) in Lübeck wollen die "Eis-Bibliothek" gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) in St. Ingbert (Saarland) sowie kooperierenden Zoos zum 1. Juni gründen.
Für Erhalt der biologischen Vielfalt
Schleswig-Holsteins Wissenschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) bezeichnete den "Cryo-Brehm" (cryo ist das griechische Wort für Eis) am Dienstag in Kiel als Meilenstein für den Erhalt der biologischen Vielfalt.

Nach Einschätzung von Experten sind jede vierte Säugetierart, jede achte Vogelart und mehr als zwei Drittel aller Pflanzen vom Aussterben bedroht.
Eines von mehreren Projekten
Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, die Artenvielfalt für kommende Generationen zu dokumentieren und zu erhalten. So sammeln Botaniker in einem "Eis-Bunker" im Norwegischen Spitzbergen tiefgekühlte Pflanzensamen - bisher ausschließlich Nutzpflanzen, ohne Blumen oder wilde Sträucher.

Zoologen konservieren DNA, Hautzellen, Spermien, Eizellen, Embryonen, Blut und Gewebe unter anderem im stickstoffgekühlten "Frozen Zoo" im kalifornischen San Diego (USA), der "Frozen Ark" in Großbritannien und der "Specialised Collection of Domestic and Wild Animals" in Russland.
Verhalten lässt sich nicht einfrieren
Bild: Frauenhofer-Institut
In dem eisigen Tiefschlaf bleibe das Erbgut viele hundert Jahre haltbar, sagte der Lübecker Projektleiter Professor Charli Kruse. So diene das Genmaterial als Reserve für künftige Generationen.

Kritiker warnten allerdings, man könne wildlebende Tiere nicht künstlich produzieren: So lasse sich etwa das Verhalten nicht einfrieren.

Dem geklonten Nachwuchs, sofern er überhaupt gelänge, fehle die Mutter, die ihm beibringt, Beute zu jagen, Feinde zu erkennen, und Nachwuchs aufzuziehen.

Bild rechts: Kryobehälter der IBMT-Forschungsbiobank. Die Tanks werden automatisch betankt, mit flüssigem Stickstoff auf minus 145 Grad Celsius gekühlt und Tag und Nacht elektronisch überwacht. Die Kapazität reicht zur Ablage von Hunderttausenden von Proben.
Stammzellen auf Eis
Das besondere Know-how des "Cryo-Brehm"-Projektes liegt nach den Worten von Austermann in der Kompetenz der Lübecker Forscher, aus unterschiedlichsten Geweben stabile, saubere und vermehrungsfähige Zellkulturen zu isolieren und für die Lagerung in der hochmodernen Eis-Bibliothek zu präparieren, ohne dass ein Tier sterben oder operative Eingriffe erdulden muss. Entnommen werden in der Regel Stammzellen.
Neues Synonym für Artenschutz
Kruse betonte, der "Cryo-Brehm" sei kein Ersatz für Umweltschutz und Biotoperhaltung. Biobanken dieser Art stellten jedoch die Bioressourcen der Zukunft dar, sagte er.

"Sie sind für unsere Nachkommen so wichtig, wie es für unser Zeitalter die Kohlelagerstätten, Erdölfelder und Metallvorkommen gewesen sind."

Er hoffe, dass der "Cryo-Brehm" so rasch zu einem Synonym für den Artenschutz werde wie es "Brehms Tierleben" schon vor rund 100 Jahren gelungen sei.

[science.ORF.at/dpa, 27.5.08]
->   Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik
->   Broschüre zur Kryokonservierung (IBMT; pdf-Datei)
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Artenvielfalt
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010