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Rädertiere "schlucken" Fremd-DNA  
  Bei der Analyse des Erbguts von Rädertieren sind US-Biologen auf Unerwartetes gestoßen. Sie haben dort Gene von völlig fremden Arten entdeckt - etwa von Pilzen und Pflanzen.  
Über Grenzen hinweg
 
Bild: Science

In sexueller Hinsicht gelten die Rädertiere als ziemlich langweilige Tiergruppe. Viele Arten verzichten völlig auf das männliche Geschlecht, die Weibchen pflanzen sich mit Hilfe unbefruchteter Eizellen fort - und das bereits seit Millionen von Jahren.

Doch vielleicht muss man das eintönige Bild, das man sich von den winzigen Tierchen gemacht hat, nun korrigieren. Einer Studie zufolge will zumindest eine Vertreterin der Rädertiere, die Art Adineta vaga (Bild oben), nichts von der Ödnis der Enthaltsamkeit wissen - dafür neigt sie zum anderen Extrem.

Das Tier tauscht sein Erbmaterial nicht nur mit Artgenossen, sondern auch mit Pilzen, Pflanzen, ja sogar mit Bakterien. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Gene auf eine ganz andere Art und Weise in das Erbgut von Rädertierchen gelangen können als bei jenen Tieren, bei denen sich Männchen und Weibchen paaren", sagt Harvard-Biologe Matthew S. Meselson, der seine Untersuchungen mit zwei weiteren Kollegen nun im Fachjournal "Science" (Bd. 320, S. 1210) veröffentlicht hat.
Import in Trockenphasen
Die wundersame Aufnahme fremder Gene geht folgendermaßen vor sich: Die in Meeren, Seen, Teichen und anderen feuchten Ökosystemen lebenden Rädertierchen sind, das wusste man schon bisher, relativ gut gegen Austrocknung geschützt. Während Trockenperioden zerbrechen zwar die Erbmoleküle und Membranen der Zellen, aber das ist nicht das Ende. Kommen die Tiere nämlich erneut mit Wasser in Kontakt, erwachen sie wieder zum Leben. Während dieses Vorgangs wandern offenbar jede Menge Fremdgene in das Genom der Rädertierchen.

Das Erstaunliche daran ist, dass manche von ihnen auch in dem neuen Körper funktionieren. Meselson und Co. wiesen etwa nach, dass ein Enzym im Erbgut von Adineta vaga eigentlich aus dem Verwandtschaftskreis des Darmbakteriums E. coli stammt, gleichwohl versieht es auch im Rädertierchen seinen Dienst, und zwar offenbar klaglos.

"Diese faszinierenden Tiere haben die Schranken für fremdes genetisches Material geöffnet", sagt Co-Autorin Irina Arkhipova. Ihr Kollege Eugene Gladyshev fügt hinzu: "Im Prinzip gibt das den Rädertierchen die Möglichkeit, das gesamte Meta-Genom ihrer Umwelt zu nutzen." Noch promisker geht es eigentlich nicht.

Robert Czepel, science.ORF.at, 30.5.08
->   The Meselson Laboratory
->   Rädertierchen - Wikipedia
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01.01.2010