News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Parasiten: Wespe macht Wirt zu ihrem Leibwächter  
  Zahlreiche Parasiten bewirken in ihrem Wirt unglaubliche - oft sehr grausam anmutende - Verhaltensänderungen. Saugwürmer etwa zwingen Ameisen, sich so auf einem Grashalm zu platzieren, dass sie von einem Schaf, dem endgültigen Wirt, gefressen werden. Eine parasitäre Larve bringt eine Spinne dazu, für sie einen Kokon zu spinnen. Von Haarwürmern befallene Insekten begehen Selbstmord, indem sie ins Wasser springen.  
Wie gezielt derartige Manipulationen entstehen, war allerdings bisher weitgehend unklar. Die Beobachtung einer Raupe, die von einer Wespe befallen und zu deren persönlichem Leibwächter gemacht wird, liefert laut einer aktuellen Studie einen Beleg dafür, dass derartige Verhaltensmuster tatsächlich direkt vom Parasiten hervorgerufen werden.
...
Der Artikel "Parasitoid Increases Survival of Its Pupae by Inducing Hosts to Fight Predators" von Amir H. Grosman et al. ist im Open-Access Journal PLoS ONE (4. Juni 2008, Bd. 3, DOI:10.1371/journal.pone.0002331) erschienen.
->   Artikel (sobald online)
...
Wespe als Nahrung und als Beschützer

Im Zentrum der Feldstudie der Forscher rund um Amir Grosman vom Institute for Biodiversity and Ecosystem Dynamics der University of Amsterdam stand eine besonders gemeine Form der Koexistenz. Parasitäre Wespen attackieren die jungen Raupen einer Mottenart in Brasilien. Bis zu 80 Eier legen diese dabei in einem einzelnen kriechenden Lebewesen ab.

Die Eier ernähren sich von den Körpersäften der Raupe (Bild rechts), der in diesem Stadium noch nichts anzumerken ist. Sie wächst, frisst und bewegt sich wie ihre gesunden Artgenossen. Sobald die Larven der Wespe ausgewachsen sind, schlüpfen sie aus ihrem Wirt und beginnen mit der Verpuppung.

Danach bleibt die Raupe zwar am Leben, verhält sich jedoch ab diesem Zeitpunkt äußerst sonderbar. Sie hört auf zu fressen und bleibt ganz in der Nähe der Parasiten-Puppen. Mehr noch, sie verteidigt diese gegen potenzielle Angreifer, indem sie heftig ihren Kopf schwingt.
Das Leben der Raupe wird zum reinen "Fremdzweck"
Nachdem die Parasiten endgültig schlüpfen, "darf" das befallene Tier endlich sterben. Laut den Forschern deuten die Beobachtungsergebnisse darauf hin, dass alle Verhaltensänderungen der Raupe ausschließlich dem Vorteil des Parasiten dienen und von ihm verursacht werden. Das zeigte auch der Vergleich mit den gesunden Tieren.

Besonders positiv für die Wespen war die Verteidigung der verpuppten Larven. Die befallenen Raupen schlugen Angreifer deutlich häufiger in die Flucht als nicht betroffene Tiere. Das dient zwar kurzfristig auch ihrem eigenen Überleben, aber langfristig bleiben dadurch nur die Wespen unversehrt.
Zurückgebliebene Larven als Manipulatoren?
Die Studie hat demnach zwar klar gezeigt, dass die Verhaltensänderung des Wirtstiers auf den Parasiten zurückgeführt werden muss. Wie er das allerdings macht, wissen die Wissenschaftler immer noch nicht. Vor allem das seltsame Benehmen, nachdem die Wespen den Wirt bereits verlassen haben, bleibt weitgehend rätselhaft.

Laut dem Team rund um Grosman sind vermutlich irgendwelche Hormone und Neurotransmitter im Spiel. Es sei aber unwahrscheinlich, dass die schlüpfenden Larven genug für eine derartig gravierend Veränderung hinterlassen können, die zudem meist erst ein bis zwei Stunden später begannen.

Bei genauerer Untersuchung entdeckten die Forscher, dass ein oder zwei Larven im Wirt zurückgeblieben waren. Möglicherweise haben sich diese sozusagen geopfert, um die Raupe im Sinne ihrer Brüder und Schwestern zu manipulieren.

[science.ORF.at, 4.6.08]
->   Institute for Biodiversity and Ecosystem Dynamics, University of Amsterdam
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Parasitismus: Schmetterlingsraupen mit Ameisenhaut (4.1.08)
->   Fliege trägt gesamte Erbinformation eines Bakteriums (31.8.07)
->   Parasitismus: Wenn die Mäusewelt Kopf steht (3.4.07)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010