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Stöhnen für den Nachwuchs  
  Britische Biologen haben das Liebesspiel von Schimpansen untersucht und kommen zu dem Schluss: Wenn Weibchen stöhnen, locken sie damit neue Sexualpartner an. Das dient langfristig der Sicherheit ihrer Kinder.  
Weit verbreitet
Erinnern sie sich noch an Monika Seles? Die gebürtige Jugoslawin gilt als phonetische Emanzipationsfigur des Damentennis. Sie war die erste, die ihre kraftvollen Grundlinienschläge mit einer ebenso geräuschvollen Stoßatmung unterlegte - was der britische Schauspieler und Tennisfan Sir Peter Ustinov folgendermaßen kommentierte: "I'd hate to be next door to her on her wedding night."

Inwieweit der Schluss vom Tennisspiel auf das Liebesspiel gerechtfertigt ist, sei dahingestellt. Tatsache ist jedenfalls, dass Homo sapiens nicht die einzige Art ist, die Kopulationslaute produziert. Einschlägige Laute kennt man beispielsweise von Elefanten, Löwen und Schimpansen. Das Stöhnen ist bei Säugern - insbesondere bei Primaten - so verbreitet, dass sich Biologen fragen: Hat es gar eine Funktion? Und wenn ja: welche?
Die Konkurrenz-Hypothese
Bei Affen sind es vor allem die Weibchen, die das Liebesspiel mit bisweilen lauten Tönen begleiten, aber sie tun das nicht immer. Das spricht dafür, dass tatsächlich ein strategisches Kalkül dahintersteckt. Die bekannteste Erklärung dieses Umstandes stützt sich auf die allgegenwärtige Konkurrenz zwischen Männchen.

Demzufolge ist das weibliche Stöhnen eine Art Werbesignal in fruchtbaren Phasen. Es soll ranghohe Männchen anlocken und zum Sex animieren. Auf diese Weise hangeln sich weibliche Affen im Idealfall vom Omega- bis zum Alpha-Männchen, das in der Regel den besten Nachwuchs verspricht.
Fruchtbarkeit spielt keine Rolle
Simon W. Townsend von der University of Andrews hat die Konkurrenzhypothese nun bei Schimpansen aus dem Budongo-Wald im Nordwesten Ugandas untersucht. Die im Open-Acces-Journal "PLoS ONE" (Bd. 3, e2431) erschienen Resultate sprechen nicht für dieses Modell: "Wir fanden heraus, dass die Rufe von kopulierenden Weibchen in keinem Bezug zu ihrer Periode - und damit auch nicht zu einer möglichen Befruchtung stehen", sagt Simon Townsend.

Stattdessen hängen sie mit zwei anderen Faktoren zusammen, nämlich der Gegenwart von Konkurrentinnen und Sexualpartnern. Waren ranghohe Weibchen in Hörweite, blieben die Schimpansinnen beim Liebesspiel stumm. Ranghohe Männchen animierten sie hingegen zu Lautstärkerekorden.

"Schimpansenweibchen schienen vor allem daran interessiert zu sein, mit möglichst vielen Männchen Sex zu haben, ohne dass es andere Weibchen erfahren", so Townsend. "Dass Männchen um mögliche Partnerinnen kämpfen, dürfte in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen."
Verschleiern und Verstecken
Dafür bieten die Forscher zwei Erklärungen an: Zum einen verfolgen die promisken Schimpansinnen offenbar eine Verschleierungsstrategie (im Fachjargon: "paternity confusion hypothesis"). Sie locken durch ihre Lustlaute möglichst viele Sexualpartner an und erzeugen so Unklarheit über etwaige Vaterschaften. Das verhindert, dass dominante Männchen Kinder von Konkurrenten töten - bei Schimpansen ein verbreitetes Phänomen, weil es potenziell auch ihre sein könnten.

Dass Schimpansenweibchen in Gegenwart von Artgenossinnen verstummen, ist indes eine reine Sicherheitsmaßnahme. Unter weiblichen Schimpansen geht es neueren Studien zufolge fast ebenso brutal zu wie in der Männerriege.

Townsend hat etwa vor zwei Jahren mit seiner Kollegin Katie Slocombe beobachtet, dass auch Schimpansinnen mitunter Kindesmord begehen, was die lange tradierte Vorstellung vom "friedlichen Geschlecht" endgültig widerlegte. Nachdem die Verschleierungstaktik nur bei Männchen hilft, ist stummer Sex hier wohl die einzige Alternative.

Robert Czepel, science.ORF.at, 18.6.08
->   University of St Andrews
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01.01.2010