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ORF ON Science :  News :  Gesellschaft .  Umwelt und Klima 
 
Klimaflüchtlinge haben keine Rechte  
  Immer mehr Menschen werden durch die Folgen des Klimawandels vertrieben: Wegen Dürre, Überflutungen, Naturkatastrophen und weiterer direkter oder indirekter Auswirkungen der Erderwärmung müssen schon heutzutage Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Der Frage, welche Rechte Klimaflüchtlinge haben, ist am Donnerstag eine von der Wiener Integrationskonferenz veranstaltete Podiumsdiskussion nachgegangen.  
Gewaltige Natur
Der Klimawandel kann Menschen vertreiben: Der steigende Meeresspiegel spült den Bewohnern von Küstenregionen den Boden unter den Füßen weg; Dürren trocknen Äcker aus und lassen Menschen hungern; schrumpfende Gletscher gefährden die Versorgung mit Trinkwasser.

Laut der Umweltorganisation Greenpeace werden allein in Indien und Bangladesch bis zu 125 Millionen Menschen aufgrund des steigenden Meeresspiegels von der Küste ins Landesinnere fliehen müssen.
Bis zu 200 Millionen Vertriebene
Schon heute spricht die UNO von bis zu 26 Millionen Menschen, die aufgrund von Umweltproblemen ihre Heimat verlassen - durch den Klimawandel würden es mehr:

Bis zu 200 Millionen Menschen bis zum Jahr 2050 - je nach Klima-Szenario, also z.B. je nachdem wie hoch die weltweiten Durchschnittstemperaturen ansteigen, wie rasch die Polkappen schmelzen oder wie stark sich Niederschläge verändern.
Genfer Flüchtlingskonvention "überaltert"
Doch Umweltflüchtlinge sind in den internationalen Migrations-Rechten unbekannt, sagt Manfred Nowak von der Universität Wien und Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte; Nowak ist auch UNO-Sonderberichterstatter über Folter.

Nowak auf Radio Österreich 1: "Die Genfer Flüchtlingskonvention ist hier völlig überaltert. Sie basiert auf den Erfahrungen mit dem Nazi-Holocaust, mit dem Kommunismus. Heute haben wir völlig andere Herausforderungen und Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen."
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Weltflüchtlingstag am 20. Juni
Am Freitag ist der Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen. Als Ausdruck der Solidarität mit Afrika, das die meisten Flüchtlinge aufgenommen habe, wurde nach Angaben des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) im Jahr 2000 eine Resolution einstimmig von der UNO-Vollversammlung angenommen, die den 20. Juni jeden Jahres als Weltflüchtlingstag festlegt.
->   World Refugee Day
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UNHCR: Flüchtlingsschutz vor neuen Herausforderungen
Da Hunger-Umweltflüchtlinge eben nicht unter die Flüchtlingskonvention fallen, brauche es für deren Schutz vermutlich ein neues internationales Abkommen, so der UNO-Flüchtlings-Hochkommissar António Guterres (UNHCR) in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung".

Dem stimmt der Wiener Menschenrechtsexperte Nowak zu und sagt auf Ö1: "Wir müssen ja auch nachdenken, wer ist verantwortlich dafür. Und es ist primär der Norden, es sind die Industriestaaten durch ihre Treibhausgase etc., aber auch durch ihre großen transnationalen Konzerne, die zum Beispiel die Regenwälder abholzen. Also wir haben eine sehr große Verantwortung dafür und die Opfer sind die ärmsten Menschen im Süden."
->   António Guterres zum Weltflüchtlingstag (UNHCR)
Greenpeace: Rechtsstatus klären
Mit der schwierigen Definition "Klimaflüchtling" befasst sich eine Studie der Umweltorganisation Greenpeace: Auch wenn im Einzelfall die Flucht einer Familie nicht direkt auf den Klimawandel zurückgeführt werden könne, so wirke der Klimawandel vielfach als Katalysator für bestehende Probleme - wie Hunger, Trinkwassermangel, Armut.

Greenpeace fordert, dass der rechtliche Status von Klimaflüchtlingen rasch geklärt wird, um ihnen Aufenthalts- und Bleiberecht zu gewähren.
->   Greenpeace-Studie zu Klimaflüchtlingen (2007; pdf-Datei)
Neuer Flüchtlingsstatus nötig
Laut Menschenrechts-Professor Manfred Nowak wird der Zusammenhang von Klimawandel und einer Änderung des internationalen Flüchtlingsrechts noch nicht einmal diskutiert.

Seiner Einschätzung nach müsste es nicht automatisch derselbe Flüchtlingsstatus wie für Kriegsverfolgte, rassisch oder religiös verfolgte Menschen sein, aber zum Beispiel ein vorübergehender Schutz.
Faire Lastenverteilung
Nowak zu science.ORF.at: "Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten. Aber es muss ein ehrliches und faires burden sharing sein zwischen den reichen und den armen Ländern. Um einerseits das Problem an der Wurzel zu packen (Anm. Klimawandel, Treibhausgasemissionen eindämmen) und andererseits um die Konsequenzen zu mildern und das geht nicht nur durch Katastrophenhilfe:

Sehr oft müssen einfach Menschen ihre Heimat verlassen und dann muss man eine adäquate Alternative suchen und sie dabei auch unterstützen. Das heißt nicht notwendigerweise, dass sie alle nach Europa kommen sollen, aber dass man ihnen eine Alternative anbietet und sie dort auch entsprechend durch Entwicklungszusammenarbeit und sonstige Hilfe unterstützt, wieder ein neues Leben selbstständig aufbauen zu können."

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 20.6.08
->   Wiener Integrationskonferenz
->   Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
->   Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung, Uni Wien
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   "Klimakriege" als Sargnagel für die westliche Zivilisation
->   Klimawandel führt zu Massenflucht
 
 
 
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01.01.2010