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Der junge Mond war gar nicht trocken  
  Der Mond ist keineswegs so ein trockener Geselle, als den ihn Astronomen gerne beschreiben: In Jugendjahren dürfte er laut einer Studie sogar ähnlich viel Wasser wie die Erde enthalten haben. Mögliche Erklärung dafür: Vielleicht haben Erde und Mond in Urzeiten jede Menge flüchtige Substanzen ausgetauscht.  
Hitzeschock verändert Zusammensetzung
Für Geowissenschaftler ist der Hauptunterschied zwischen Mond und Erde ein kompositorischer: Was hitzebeständige Elemente angeht - Aluminium, Kalzium und Titan etwa -, ist der Mond zwei bis drei Mal so gut ausgestattet wie die Erde. Eher flüchtige Substanzen - beispielsweise Natrium und Kalium - sind indes auf dem Erdtrabanten Mangelware. Und nicht zuletzt gibt es dort auch so gut wie kein Wasser. Glaubte man zumindest bisher.

Die unterschiedliche Zusammensetzung von Mond- und Erdgestein erklärte man sich recht zwanglos durch die sogenannte Impact-Theorie. Demzufolge kollidierte vor rund 4,5 Milliarden Jahren ein etwa Mars-großer Himmelskörper mit der damals erst 30 Millionen Jahre alten Protoerde und beförderte jede Menge geschmolzenes planetares Material in die Erdumlaufbahn.

Ein Teil dessen vereinigte sich, kühlte ab und entwickelte sich zu jenem bleichen Satelliten, den wir aus der Gegenwart kennen. Da bei dem Zusammenstoß kurzfristig extrem hohe Temperaturen erzeugt wurden, ist die Abwesenheit flüchtiger Elemente eigentlich keine Überraschung.
Überraschender Fund in "Glasperlen"
 
Bild: NASA

Eine neue Studie im Fachjournal "Nature" (Bd. 454, S. 192) stellt dieses Szenario nun aber in Frage. US-Forscher haben vulkanische Gläser (Bild oben), die bei den Apollomissionen 11, 15 und 17 eingesammelt wurden, auf mögliche Spuren von Wasser untersucht - und wurden fündig. "Während der letzten vier Jahrzehnte lag das Limit für Wassernachweise in lunaren Proben bei bestenfalls 50 ppm [Teile pro Million, Anm.]", sagt Erik Hauri von der Carnegie Institution, ein Co-Autor der Studie.

Dank einer neuen Methode, eine Variante der Massenspektrometrie, wurde die Nachweisgrenze auf 5 ppm gedrückt. Der Wassergehalt in den vulkanischen Gläser lag aber deutlich darüber: "Wir waren wirklich überrascht, dass wir deutlich mehr gefunden haben, nämlich bis zu 46 ppm", so Hauri.

Das mag nach nicht viel klingen, das vulkanische Gestein hat im Lauf der Jahrmillionen jedoch einiges an Wasser verloren. Das schließt man aus dem Verteilungsmuster der Wasserspuren: Im Kernbereich der Gesteinsproben war der Gehalt nämlich deutlich höher als an der Peripherie.

Die US-Forscher haben auch den ursprünglichen Wasseranteil im lunaren Magma rekonstruiert. Konservativ kalkuliert betrug er 260 ppm, laut dem Berechnungsmodell passt jedoch ein Gehalt von 750 ppm am besten zu den restlichen Daten. Das ist ein ganz ähnlicher Wert, wie er bei ozeanischen Basaltgläsern auf der Erde gemessen wurde, von einem trockenen Mond kann also nicht mehr die Rede sein.
Wohin ging das Wasser?
"Nachdem man bisher gemeint hatte, der Mond sei vollkommen trocken, ist das ein gewaltiger Sprung", meint Hauri. "Das legt nahe, dass der Mond ebenso viel Wasser enthalten hat wie der Erdmantel. Und das führt wiederum zur Frage: Wenn die Vulkane des Mondes 95 Prozent ihres Wassers verloren haben. Wo kam all das Wasser hin?"

Nachdem die Gravitation des Mondes zu schwach für die Bildung einer Atmosphäre ist, wird wohl ein Teil davon in die Weiten des Alls diffundiert sein. Ein Rest davon könnte sich auch an den Polen angesammelt und dort bis heute in Form von Eis überdauert haben - etwa in Kratern, die dauerhaft im Schatten liegen.
Und: Woher kam es?
Freilich schließt sich angesichts der überraschenden Resultate noch eine zweite Frage an: Wie kam das Wasser überhaupt auf den Mond? Eine Theorie lautet, Erde und Protomond hätten nach dem großen Impact für einige Hundert Jahre einen regen Tauschhandel flüchtiger Substanzen betrieben.

Damit könnte man etwa die erstaunliche Tatsache erklären, dass die individuelle Mischung von Sauerstoffisotopen beider Himmelskörper so gut wie identisch ist (Unterschiede liegen im Bereich von Tausendstel Promille). Im Prinzip spricht nichts dagegen, dass während dieser paar Hundert Jahre auch Wasser im- bzw. exportiert wurde.

Denkbar wäre auch eine spätere Ankunft des Wassers, und zwar via Einschlag von Meteoriten. Welche der beiden Vermutungen stimmt, sollen nun Isotopenuntersuchungen von Mondgestein klären.

Robert Czepel, science.ORF.at, 10.7.08
->   Erik Hauri
->   Mond - Wikipedia
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01.01.2010