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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima .  Leben 
 
In der Antarktis war es einst gemütlich warm  
  Der gegenwärtige Klimawandel ist zu einem großen Teil hausgemacht, die Temperaturen waren im Laufe der Erdgeschichte aber auch ohne Zutun des Menschen höchst unterschiedlich. In der Antarktis etwa dürfte es vor mehr als 14 Millionen Jahren zum Teil 30 Grad wärmer gewesen sein als heute. Darauf lässt ein bisher einzigartiger Fossilfund schließen - die Urform eines Muschelkrebses.  
Erstmals in der Geschichte der Antarktiserforschung sind dabei Gewebsteile eines Tieres über die Jahrmillionen erhalten geblieben, berichtet eine Gruppe von Forschern um den Paläobiologen Mark Williams von der Universität im britischen Leicester.
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Die entsprechende Studie "Exceptionally preserved lacustrine ostracods from the Middle Miocene of Antarctica: implications for high-latitude palaeoenvironment at 778 S" ist in den "Proceedings of the Royal Society B" (doi:10.1098/rspb.2008.0396) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Heute extreme Klimabedingungen
Die klimatischen Bedingungen in der Antarktis sind heute extrem: Temperaturen bis zu minus 80 Grad Celsius herrschen vor, zumeist weht ein heftiger Sturm, fast der gesamte Kontinent ist mit Eis bedeckt.

Eine der Ausnahmen bilden die Trockentäler im Osten der Antarktis: Das Gebiet von rund 5.000 Quadratkilometern ist das größte des Kontinents, das nahezu eisfrei ist.
Ostrakode in Goethit
Genau hier haben die Forscher nun ihren Premierenfund gemacht - genauer gesagt handelte es sich um einen Studenten, der im Zuge der Analyse von Gesteinsproben aus dem eiskalten Dead Valley der Antarktis an der wärmeren North Dakota State University auf einen Ostrakoden - einen frühen Verwandten heutiger Krebse - gestoßen ist.

"Er ist der erste seiner Art, der je in der Antarktis gefunden wurde", so Mark Williams. Enthalten war der Krebs in Goethit - einem nach Johann Wolfgang Goethe benannten Mineral.
Damals gab es Plusgrade
 
Bild: Allan Ashworth/North Dakota State University

Blick durch das Mikroskop auf das fossile Muschelkrebschen, das weniger als ein Millimeter lang ist. Es wurde Lacalgida avia getauft, was so viel heißt wie "aus einem kalten See stammend".

Besonders herausragend ist für die Forschergruppe der Breitengrad des Fundortes: 77 Grad südlich. Mit den Durchschnittstemperaturen von minus 25 Grad Celsius, die hier im Schnitt in der Antarktis herrschen, sind heute Muschelkrebse völlig undenkbar. "Es gab eine enorme Klimaänderung", führt Williams aus.

Die Paläobiologen schätzen, dass die Temperaturen der Trockentäler vor 14 Millionen Jahren um 30 Grad über jenen von heute lagen. Mit anderen Worten: Damals hatte es durchschnittlich einige Plusgrade - genug, damit die Muschelkrebse leben konnten.
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Bohrkerne erzählen Klimageschichte
Als Klimaarchiv für die gesamte Erdgeschichte gelten Bohrkerne, die aus einer Tiefe von über 1.000 Meter aus der Erde geholt werden. Deutsche Forscher berichteten im Vorjahr nach der Auswertung von entsprechenden Bohrungen, wie bewegt das Klima der Antarktis gewesen ist. So scheint die Kälteperiode, die vor rund 14 Millionen Jahren begonnen hat, vor acht Millionen Jahren unterbrochen worden zu sein - der Kontinent ähnelte damals eher den heutigen Verhältnissen in Alaska als jenen der Antarktis.
->   Mehr dazu: Hinweis auf warmes Klima zu Urzeiten (20.12.07)
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Krebse waren nicht weit verbreitet
Wie die Forscher betonen, gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass die Muschelkrebse oder verwandte Tiere in der Antarktis im Mittleren Miozän - also vor rund 14 Millionen Jahren - übermäßig weit verbreitet gewesen sind.

Sie gehen eher von einer lokalen Besiedelung aus, die zufällig entstanden ist - etwa durch Zugvögel, in deren Füßen sich die Krebse verfangen haben und dann fallen gelassen wurden - und sich nicht über den Kontinent ausgebreitet hat.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 23.7.08
->   Mark Williams, University of Leicester
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->   NASA zeigt glasklare neue Karte der Antarktis
->   Physiker wollen ältestes Eis der Erde datieren
 
 
 
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01.01.2010