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Spitzhörnchen: Alkoholisiert, und doch nicht betrunken  
  Bei Menschen ist die Fähigkeit, Alkohol zu vertragen, sehr unterschiedlich verteilt: Während die einen nach dem Konsum einer bestimmten Menge kaum noch stehen können, scheint es anderen prächtig zu gehen. Zoologen haben nun im Regenwald Malaysias Spitzhörnchen entdeckt, die überhaupt keine Probleme mit Alkohol haben. Sie trinken regelmäßig Palmbier und sind trotzdem niemals betrunken.  
Der kleine nachtaktive Kletterspezialist könne Alkohol offensichtlich besser verarbeiten als der Mensch, berichtete der Bayreuther Tierphysiologe Frank Wiens.

Die unerwartete Beobachtung werfe auch ein neues Licht auf die Entwicklung des Alkoholkonsums unter den Vorfahren der Primaten - und damit auch des Menschen.
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Die entsprechende Studie "Chronic intake of fermented floral nectar by wild treeshrews" ist am 29.7. in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Bd. 105, S. 10426) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Doppelt mausgroß mit namengebendem Schwanz
 
Bild: Annette Zitzmann

Wiens, der als freier wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Tierphysiologie der Universität Bayreuth arbeitet, hatte gemeinsam mit Kollegen über viele Jahre das Ernährungsverhalten der Federschwanz-Spitzhörnchen (Ptilocercus lowii) untersucht und dabei die erstaunliche Entdeckung gemacht.

Das in Südthailand und Malaysia beheimatete Tier hat etwa die doppelte Größe einer Maus und ist weitschichtig mit den Primaten verwandt.
Bis zu 3,8 Prozent Alkohol in der Nahrung
Wiens und Zitzmann hatten bei der Beobachtung des Spitzhörnchens festgestellt, dass der zu Alkohol fermentierte Blütennektar der Bertam-Palme Hauptnahrungsbestandteil des nachtaktiven Säugers ist.

Der Saft der Palme werde dabei in den Blütenknospen wie in einer Gärkammer in Alkohol verwandelt. Der zu einer Art Palmbier vergorene Nektar enthalte bis zu 3,8 Prozent Alkohol, berichtete Wiens.
Dennoch keine Anzeichen von Betrunkenheit
Videoaufnahmen hätten ergeben, dass jedes Tier mehr als zwei Stunden pro Nacht den alkoholhaltigen Nektar trinkt. "Das war mehr Zeit als für irgendeine andere Nahrung aufgewendet wurde", sagte Wiens.

"Gemessen an dem aufgenommenen Alkohol müssten sie eigentlich jede dritte Nacht betrunken sein", betonte der Wissenschaftler. "Sie sind es aber nicht."

Alle beobachteten Federschwanzhörnchen zeigten auch nach dem nächtlichen "Trinkgelage" keinerlei Anzeichen von Trunkenheit.
->   Zum Video
Haarproben bestätigen starken Alkoholgenuss
Den hohen und dennoch folgenlosen Alkoholkonsum der Tiere bestätigte auch eine Analyse von Haaren der Federschwanzhörnchen. Bei allen untersuchten Haaren seien extrem hohe Werte sogenannter Biomarker für Alkohol festgestellt worden.

Anhand dieser Biomarker lässt sich ermitteln, ob jemand über einen langen Zeitraum hinweg große Mengen Alkohol zu sich genommen hat.
Stoffwechsel effizienter als beim Menschen
Wiens vermutet, dass der Stoffwechsel der untersuchten Tiere in Bezug auf Alkohol weitaus effektiver ist als der von Menschen.

"Das Federschwanzhörnchen kann seinen Organismus nach dem Konsum von Alkohol offenbar schneller entgiften, als dies bei Menschen der Fall ist", unterstrich der Wissenschaftler.

Ähnlich Beobachtungen habe sein Team auch bei fünf anderen, im malaysischen Regenwald verbreiteten Arten gemacht.
Theorien zum Alkoholkonsum umschreiben?
Nach Wiens Einschätzung müssen möglicherweise Theorien zum Alkoholkonsum verändert werden.

Bislang sei man davon ausgegangen, dass die Menschheit und ihre Ahnen vor der Erfindung des Bieres vor etwa 9.000 Jahren entweder gar nicht an Alkohol gewöhnt waren oder nur an sehr geringe Dosen in überreifen Früchten.

Die Untersuchung zeige hingegen, dass ein regelmäßiger hoher Alkoholkonsum schon sehr früh in der Evolution der Primaten vorkam.

[science.ORF.at/APA/dpa, 29.7.08]
->   Frank Wiens
->   Federschwanz-Spitzhörnchen (Wikipedia)
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01.01.2010