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Der Parasit, der Gutes tut  
  Eigentlich ist es ein Widerspruch in sich, was französische Biologen entdeckt haben: ein Parasit, der für seine Wirtspflanzen nützlich ist. Seine ungewöhnliche Wirkungsweise hat dem Pilz den Spitznamen "Robin Hood" eingebracht: Er hilft nämlich nur schwachen Pflanzentypen, besonders fitte Exemplare schädigt er hingegen.  
Betrügerische Partner
Gegensätze sind grundsätzlich praktisch, um Dinge zu ordnen, beispielsweise in der Ökologie: Von Symbiosen, dem engen Zusammenleben zweier Arten, gibt es zwei Extremformen. Entweder profitieren beide Partner von der Koexistenz, dann spricht man von Mutualismus. Oder es profitiert nur einer, während der andere darunter leidet, dann handelt es sich um Parasitismus.

Soweit alles klar, nur hält sich die Natur nicht immer an unsere begrifflichen Grenzziehungen. Nehmen wir etwa das klassische Beispiel der Putzerfische: Die kleinen, meist tropischen Fische weiden die Haut größerer Fische ab - die von Scheinschnappern etwa - und entfernen Parasiten sowie kranke Hautstellen. Das bringt beiden Partnern laut gängiger Logik nur Vorteile, nämlich Hygiene bzw. Nahrung.

Allerdings kommt es immer wieder vor, dass die Putzer ihre Symbiosepartner hintergehen und sich statt an Parasiten am wertvollen Hautschleim gütlich tun.
Kontrolle ist besser
Wie Biologen vorletztes Jahr hausfanden, haben Scheinschnapper ein recht gefinkeltes Kontrollsystem entwickelt, um etwaige Betrüger zur Raison zu bringen.

Die Putzerfische wiederum erweisen sich als durchaus einsichtig, schwenken nach Disziplinierungsmaßnahmen wieder in ihre angestammte Rolle ein - und beschränken sich fortan auf Parasitenkost (Nature, Bd. 441, S. 975).
Nützliche Schädlinge
Bild: dpa
Arabidopsis thaliana, die Acker-Schmalwand.
Auf der anderen Seite des Symbiose-Spektrums waren derartige Berichte bis dato äußerst rar. Die französische Biologin Lucie Salvaudon hat nun ein Beispiel für Parasiten gefunden, die bisweilen auch nützlich sein können. Dabei handelt es sich um den Pilz namens Hyaloperonospora arabidopsis, der sich in den Blättern der Ackerschmalwand vermehrt.

Letztere ist bekanntlich eine äußerst beliebte Laborpflanze, von der man eine Reihe von Ökotypen kennt. Die unterscheiden sich unter anderem darin, dass sie viel oder wenig Samen produzieren - ein Wert, der letztlich auch mit der Fitness zusammenhängen sollte.

Englische Vertreter der Ackerschmalwand sind beispielsweise ihren Artgenossen aus den Pyrenäen unter Laborbedingungen deutlich überlegen und kommen auf die mehr als die fünffache Samenmenge. Pilzinfektionen sorgen indes für eine Nivellierung des Leistungsgefälles, wie Salvaudon mit zwei Kollegen in den "Biology Letters" (doi: 10.1098/rsbl.2008.0332) berichtet.
Umverteilung in Sachen Fitness
Pflanzen aus England, Tschechien und Finnland - die Mehrleister in diesem Versuch - bauten nach der Infektion deutlich ab, die Nachzügler aus den Pyrenäen und aus Japan reagierten hingegen mit einem Produktionsschub von Samen. Nachdem die Resultate auch in Sachen Fruchtbarkeit ähnlich ausfielen, resümiert Lucie Salvaudon in ihrem Paper mit einer Anleihe aus dem Reich der Legenden: "Unser Parasit agierte wie Robin Hood, er stahl Fitness von den wohlhabendsten Wirten und half den Ärmsten."

Warum das so ist, weiß man nicht genau. Möglicherweise haben sich die Schmalwand-Varianten unterschiedlich an Infektionen angepasst. Von manchen Gräsern weiß man etwa, dass sie Beschädigungen durch Pflanzenfresser als Startpunkt für ihre Vermehrung benutzen. Sie haben deren Gegenwart bereits so fix in ihr Überlebensprogramm integriert, dass sie in Abwesenheit ihrer Fressfeinde sogar weniger Nachkommen produzieren. Im Prinzip spricht nichts dagegen, dass dieses Paradox auch bei Parasiten gilt.

Robert Czepel, science.ORF.at, 6.8.08
->   Ackerschmalwand - Wikipedia
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01.01.2010