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Hunde finden Gähnen ihrer Herrchen ansteckend  
  Wie der Herr, so das G'scher: Besonders bei Hundebesitzern ist dieser alte Spruch oft augenscheinlich. Viele Herrchen und Frauchen sehen aber nicht nur so ähnlich aus wie ihre vierbeinigen Lieblinge. Laut einer aktuellen britischen Studie verhalten sie sich auch ähnlich. Gähnen die Hundebesitzer, so müssen auch die Hunde gähnen.  
Dies berichtet ein Team um den Psychologen Atsushi Senju von der Universität London. Sie haben erstmals bewiesen, dass "ansteckendes Gähnen" nicht nur bei Menschen und Primaten existiert, sondern auch bei Hunden - und außerdem noch zwischen verschiedenen Arten.
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Die entsprechende Studie "Dogs catch human yawns" ist in den "Biology Letters" der britischen Royal Society erschienen (6.8.08; doi: 10.1098/rsbl.2008.0333).
->   Abstract der Studie
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Bei Wirbeltieren weit verbreitet
Gähnen ist bei Wirbeltieren weit verbreitet, "ansteckendes Gähnen" bisher aber nur bei wenigen Arten dokumentiert: Neben dem Menschen wurde es bisher nur bei Schimpansen, Makaken und Orang-Utans bewiesen.

Bei Hunden wurde das Phänomen vermutlich in der Vergangenheit ebenfalls schon tausendfach von ihren Besitzern beobachtet. Experimentell überprüft wurde es nun aber erstmals von der Gruppe um Atsushi Senju.
Experiment: Gähnsituation und Kontrollsituation
Dazu setzten sie 29 Hunde (Durchschnittsalter sechseinhalb Jahre, 17 Rüden, zwölf Hündinnen) zwei verschiedenen Situationen aus.

In der "Gähnsituation" begann ein vor dem Hund sitzender Experimentator, den der Hund nicht kannte, lautstark zu gähnen. In der "Kontrollsituation" öffnete er ebenfalls seinen Mund, unterließ aber die gähntypischen Geräusche.
72 Prozent lassen sich anstecken
 
Bild: Ramiro Joly-Mascheroni

Ein Hund im Experiment: Der Studienleiter beginnt zu gähnen (links) und der Vierbeiner tut es im wenig später gleich (rechts).

Das Ergebnis des Versuchs: Während beim kontrollierten Mundöffnen keiner der Hunde reagierte, ließen sich 72 Prozent der Tiere vom Gähnen des Mannes anstecken.

In den fünf Minuten langen Versuchssituationen gähnten die "infizierten" Hunde durchschnittlich zweimal und über einen Zeitraum von fast 100 Sekunden.

Damit erweisen sich die Hunde als nachahmungsbereiter als andere Arten. 45 bis 60 Prozent der Menschen lassen sich durch Gähnen anstecken, bei Schimpansen ist es rund ein Drittel.
Zwei Erklärungsansätze: Empathie ...
Warum nun lässt sich der beste Freund des Menschen von letzterem so gerne zum Gähnen verführen? Dazu gibt es widerstreitende Thesen. Zum einen, so schreiben Atsushi Senju und seine Kollegen, könnte es ein Ausdruck von Einfühlungsvermögen sein.

Domestizierte Hunde können soziale und kommunikative Hinweise von Menschen hervorragend verstehen - etwa Blicke oder Fingerzeige. Warum also nicht auch ihr Gähnen?
... oder Stressabbau
Eine andere Erklärung wäre es, das "Mitgähnen" als eine Art Stressabbau zu verstehen. Von Makaken etwa ist bekannt, dass sie zu sozialem Gähnen greifen, sobald sie unliebsame Artgenossen treffen.

Vielleicht gähnen die Hunde also nur, weil ihnen der Experimentator als unbekannter Mensch Unbehagen verursacht. Dagegen spricht, dass die Hunde in der Kontrollsituation - dem gleichen Fremden ausgesetzt - nicht zu gähnen begannen.
Weitere Studien folgen
Wie jede anständige Studie schließt ob dieser offenen Fragen auch diese mit dem Hinweis, dass weitere nötig sind, um sie zu klären.

Eine davon heißt: "Lassen sich Hunde durch Menschen eher zum Gähnen verleiten als durch andere Hunde?" und wird von den Forschern vorläufig mit "eher ja" beantwortet. Wir werden über die endgültige Antwort berichten.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 6.8.08
->   Atsushi Senju, Birkbeck College, University of London
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Gähnen und Lächeln steckt auch Orang-Utans an (16.1.08)
->   Auch Schimpansen finden Gähnen ansteckend (21.7.04)
->   Sind auch Tiere zur Empathie fähig? (29.4.04)
 
 
 
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01.01.2010