News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Forscher entdeckten Virus mit Virusinfektion  
  Viren gelten gemeinhin nicht als Lebewesen, weil sie nur aus der Information bestehen, wie sie sich mit Hilfe einer Wirtszelle effektiv vermehren. Nun haben französische Forscher entdeckt, dass die Krankheitserreger selbst auch krank werden können, indem sie ein anderes Virus missbraucht. Das mache sie ein Stück weit "lebendiger".  
"Es gibt keinen Zweifel, dass es sich bei dem untersuchten Makrovirus um einen lebendigen Organismus handelt", meint etwa Jean-Michael Claverie vom Centre National de la Recherche Scientifique, dem Grundlagenforschungszentrum in Marseille.

Gemeinsam mit seinen Kollegen vertritt er die Meinung, dass die Funktionen von Viren großteils unbekannt seien - aber auch in der Ökologie eine große Rolle spielen könnten.
...
Die Studie "The virophage as a unique parasite of the giant mimivirus" von Bernard La Scola, Christelle Desnues und Kollegen ist am 7. August 2008 online in "Nature" erschienen (DOI:10.1038/nature07218).
->   Abstract der Studie
...
"Monstervirus" mit 900 Genen
Fünf Jahre ist es her, dass die französischen Virologen in einem britischen Kühlturm ein "Monstervirus", wie sie es selbst nennen, entdeckten: Mit einem Erbgut bestehend aus mehr als 900 Protein-kodierenden Genen war es nicht nur dreimal so groß wie die bis dahin bekannten größten Viren. Unter diesen Genen befanden sich auch einige, die man für typisch bei zellulären Organismen gehalten hatte.

Weil dieses Riesenvirus die üblichen Vorstellungen überstieg, wurde es anfangs für ein Bakterium gehalten. Die Franzosen schließlich entdeckten seine wahre Natur und nannten es "Mimivirus" - als Abkürzung für "mimicking microbes", also Mikroben-Nachahmung.
->   Mehr über das Mimivirus (Wikipedia)
Verschwimmende Grenzen
In der Welt der Virologen brachte diese Entdeckung gehörig Unruhe, schließlich widersprach sie grundlegend dem Bild des Virus als bloße Anleitung zur Selbst-Replikation. Schon damals wurde davon gesprochen, dass die Grenze zwischen Virus und zellulären Organismen wohl nicht so klar sei wie bisher angenommen.

Die nun veröffentlichte Entdeckung, dass auch Viren "krank" werden können, lässt die Trennlinien noch mehr verschwimmen: Wieder in einem Kühlturm, dieses Mal aber in Paris, haben Bernard La Scola, Christelle Desnues und ihre Kollegen ein Virus entdeckt, das nicht nur noch ein bisschen größer ist als das Mimivirus (und deshalb Mamavirus genannt wurde), sondern auch noch einen unerwünschten Begleiter hat:

Ein zweites, mit 21 Genen deutlich kleineres Virus hatte sich angehängt, umkreiste das Mamavirus sozusagen, weshalb es von den Forschern Sputnik genannt wurde.
Krankes Mamavirus
Was Sputnik mit seinem Wirt macht, ließ die Wissenschaftler staunen: Dringt das Mamavirus in einen Einzeller ein und möchte sich dort anhand der eingeschleusten "Virenfabrik" möglichst schnell replizieren, macht ihm Sputnik einen Strich durch die Rechnung.

Es kapert genau diese Kopiermaschine, um sich selbst zu vermehren. Das Ergebnis: Vom Mamavirus entstehen weniger, oft deformierte Kopien - es ist in seiner Welt schwer krank.
Bedeutung auch für Ökosystem?
Dass diese Art der Interaktion unter Viren möglich ist, beeinflusst nicht nur die zugegebenermaßen theoretisch anmutende Diskussion, ob es sich nun um Lebewesen handelt oder nicht.

Die Riesenviren und ihre Parasiten könnten auch im Ökosystem eine größere Rolle spielen als bisher angenommen. Eine Analyse von Ozeanwasser hat erst kürzlich gezeigt, dass in den Weltmeeren ein Übermaß an genetischen Sequenzen vorhanden ist, die den Riesenviren ähneln ("Genome Biology" 9, R106, 2008). Auch Sputnik-Verwandte könnten im Meer vorhanden sein und gemeinsam mit ihren Wirten in enger Verbindung mit dem Plankton leben.
Wachsen und Sterben von Plankton
Bisher habe man diese Viren übersehen, weil sie so groß sind, dass sie durch Bakterienfilter ebenfalls entfernt wurden. 70 Prozent der Virengene, die in den Ozeanen gefunden wurden, sind gänzlich unbekannt.

Sollten sie tatsächlich, so die Hypothese der Forscher, das Wachsen und Absterben des Planktons regulieren, könnten sie maßgeblichen Einfluss auf den Nahrungskette der Ozeane haben und in weiterer Folge auf das Klima, betont auch ein Fachkollege der französischen Forscher, Curtis Suttle von der University of British Columbia in Vancouver, in "Nature".

Elke Ziegler, science.ORF.at, 7.8.08
->   Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS)
->   Jean-Michael Claverie
->   Das Stichwort "Virus" im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010