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Kokain verändert dauerhaft Synapsen im Gehirn  
  Kokain verändert laut Forschern die molekularen Strukturen an den Nervenkontaktstellen im Gehirn. Unter anderem deshalb werden Süchtige vom starken Drang zur Droge gequält und leicht rückfällig.  
Das Team von Forschern aus dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, dem Deutschen Krebsforschungszentrum sowie der Universität Genf untersuchte die molekularen Grundlagen anhand von Mäusen.
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Die Studie "Glutamate Receptors on Dopamine Neurons Control the Persistence of Cocaine Seeking" ist am 14. August 2008 in "Neuron" erschienen (Band 59, S. 497-508).
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Synapsen werden umgebaut
Sucht hinterlässt nachweisbare Spuren im Gehirn: In Bereichen des Zentralnervensystems, die den Botenstoff Dopamin produzieren, bewirkt zum Beispiel Kokain molekulare Umbauprozesse an den Synapsen, den Kontaktstellen zwischen zwei Nervenzellen.

Als Reaktion auf die Droge werden in bestimmten Rezeptoren komplexe Protein-Untereinheiten ausgetauscht.
Verstärkte Übertragung von Nervensignalen
Das hat zur Folge, dass die veränderte Synapse verstärkt Nervensignale übertragen kann - ein Phänomen, das als "drogenvermittelte synaptische Plastizität" in die Literatur einging.

Forscher vermuten seit vielen Jahren, dass drogenvermittelte synaptische Plastizität bei der Suchtentstehung eine entscheidende Rolle spielt. Bisher fehlen hierzu jedoch experimentelle Nachweise.
Mäuse manipuliert
Günther Schütz vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und Kollegen gelang es nun, bei Mäusen selektiv in dopaminproduzierenden Nervenzellen genau diejenigen Eiweiß-Komponenten genetisch auszuschalten, die durch Kokain in die Rezeptor-Komplexe eingebaut werden.

Dann testeten die Forscher die Tiere, um ihr Suchtverhalten zu überprüfen. Auf den ersten Blick zeigten sowohl die genveränderten als auch Kontrolltiere das übliche Verhalten unter dem Einfluss von Kokain: Zu verstärkter Beweglichkeit angetrieben, legten sie deutlich längere Laufstrecken zurück und suchten bevorzugt solche Plätze auf, auf die sie durch regelmäßige Drogengaben konditioniert worden waren.
Ausgeschaltetes Protein, resistent gegen Rückfall
Die Mäuse, deren das NR1-Protein ausgeschaltet wurde, überraschten aber hinsichtlich Entwöhnung: Wird Kokain-entwöhnten Kontrolltieren nach einiger Zeit die Substanz erneut verabreicht, so flackern das Suchtverhalten und die Suche nach der Droge wieder auf.

Im Gegensatz dazu erwiesen sich die NR1-defizienten Artgenossen als resistent gegenüber einem Rückfall in die Sucht.
Impulse für Entwöhnungsprogramme?
Die Forscher erhoffen sich von ihrer Arbeit neue Impulse für Entwöhnungsprogramme - allerdings mit der Einschränkung, dass es sich bei ihren Erkenntnissen rein um die chemischen Grundlagen von Kokain-Sucht handelt, die psychologischen Begleiteffekte aber bei den Mäusen keine Rolle spielten.

[science.ORF.at/APA, 14.8.08]
->   Günther Schütz
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01.01.2010