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Gravitationswellen: Außer Spesen nichts gewesen  
  Albert Einstein hat mit seinen Prognosen schon oft Recht behalten, nur in einem Fall mühen sich seine Nachfolger erfolglos bei der Bestätigung des Meisters. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie sollten Gravitationswellen durch die Raumzeit rasen, bisher sind jedoch sämtliche Nachweisversuche gescheitert. Warum, ist unklar.  
Nur Indizien
Auch wenn Gravitationswellen bislang vor allem in den Köpfen der Theoretiker ein Dasein zu führen scheinen - Indizien für ihre physische Existenz gibt es: So sollte beispielsweise die Rotationsgeschwindigkeit des Doppelpulsars PSR 1913+16 mit dem Lauf der Zeit abnehmen, weil er durch Gravitationswellen sukzessive an Energie verliert. Messungen bestätigen das, und sie stimmen äußerst gut mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie überein.

Nur ist das eben ein indirekter Nach- oder zumindest Hinweis, eleganter wäre freilich ein direkter, und hier hapert es offenbar noch. Das liegt zunächst daran, dass sich die von Albert Einstein vorhergesagten Dehnungen und Stauchungen der Raumzeit in geringfügigsten Bereichen manifestieren.
300 Watt sind zu wenig
 
Bild: MPI for Gravitational Physics/W.Benger-ZIB

Bild oben: So stellen sich Forscher die Gravitationswellen vor - bislang nur im Computermodell.

Beispielsweise erzeugt die Wanderung der Erde um die Sonne Gravitationswellen, ihre abgestrahlte Leistung entspricht allerdings mit 300 Watt nur der eines Reiskochers oder Stabmixers - im Vergleich zur Bewegungsenergie der Erde eine Lächerlichkeit.

Auch beim Jupiter, dem größten Planeten unseres Sonnensystems, kommt man diesbezüglich auf keinen grünen Zweig. Die von ihm verursachten Gravitationswellen haben eine Leistung von 1.000 Watt, ihre Wellenlänge liegt im eher unhandlichen Bereich von zwölf Lichtjahren.

So hilft denn nur der Blick auf Pulsare, Supernovae, Neutronensterne oder Schwarze Löcher. Die sollten theoretisch in einem Energiebereich abstrahlen, der auch für irdische Detektoren erfassbar wäre. Theoretisch.
Scheinerfolge in den 60ern
In den späten 60er Jahren glaubte sich der US-amerikanische Physiker Joseph Weber bereits am Ziel. Er hatte zwei Tonnen schwere Aluminiumzylinder als Resonanzkörper verwendet, um feinste - durch Gravitationswellen ausgelöste - Schwingungen nachzuweisen.

Weber berichtete zwar von erfolgreichen Messungen, aber seine positiven Ergebnisse konnten in den folgenden Jahren nicht wiederholt werden. Resonanzdetektoren haben überdies den schwerwiegenden Nachteil, dass sie lediglich in einem sehr engen Frequenzbereich funktionieren und außerhalb desselben sehr schnell "blind" gegenüber etwaigen Signalen sind, weswegen man heute eher auf den Nachweis durch Michelson-Interferometer setzt.

Das sind Geräte, mit denen sich Überlagerungen von Lichtwellen feststellen lassen, die wiederum der Längen- bzw. Geschwindigkeitsmessung dienen. Experimente mit einem Interferometer haben etwa in den 1880er Jahren zur Aufgabe der berühmten Äthertheorie geführt, der zufolge Licht für die Ausbreitung im Raum ein Medium benötigen würde. Heute weiß man: Licht braucht kein solches Medium, es bewegt sich auch im leeren Raum.
Mit Lasern auf der Pirsch
Die modernen Laser-Interferometer, mit denen man heutzutage auf die Suche nach Gravitationswellen geht, basieren im Wesentlichen auf dem gleichen Messprinzip, nur ist ihre Genauigkeit bedeutend höher. Wenngleich offenbar nicht hoch genug - denn bis dato verlief die Suche nach den Einsteinschen Stauchungen der Raumzeit negativ.

Ein internationales Team von Astrophysikern hat vor drei Jahren mehrere Interferometer in den USA und Deutschland zu einem großen Messsystem verbunden, um die Genauigkeit der Geräte noch einmal zu erhöhen. Beteiligt waren die in Hanford Site (Washington) und Livingston (Louisiana) stehenden Detektoren des Projekts LIGO sowie der GEO600-Interferometer aus Ruthe bei Hannover.

Mittlerweile haben die Forscher den bei den Messungen angefallenen Datenwust ausgewertet und die Ergebnisse dem Preprintserver "arXiv" (Abstract) veröffentlicht. Die sorgen allerdings erneut für Ernüchterung. "Es wurden keine möglichen Signale von Gravitationswellen identifiziert", resümieren die Forscher in ihrer Studie lapidar.
Hoffen auf LISA
Warum das so ist, bleibt unklar. Da die verwendeten Geräte im Prinzip empfindlich genug sein müssten, um von Supernovae oder Doppelsternsystemen stammende raumzeitliche Störungen nachweisen zu können, sind die möglichen Erklärungen nicht wirklich befriedigend.

Eine Möglichkeit wäre einfach Pech. Vielleicht hat es zwischen dem 22. Februar und dem 23. März 2005 - jener Zeitraum, in dem die Messungen erfolgt sind - tatsächlich keine messbaren Ereignisse gegeben. Eine andere Möglichkeit ist, dass das Problem auf der Erde liegt, also etwa bei den Detektoren oder der Datenanalyse.

Und dann gäbe es noch die Möglichkeit, dass etwas mit der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht stimmt. Um zu einer so radikalen Schlussfolgerung zu gelangen, bedarf es allerdings mehr als nur ein paar gescheiterte Experimente. So wird man wohl auf die nächste - noch leistungsfähigere - Generation von Interferometern warten müssen, die ihren Dienst dann nicht auf der Erde, sondern im Weltall versehen.

ESA und NASA haben sich jedenfalls schon auf ein einsprechendes Projekt namens LISA ("Laser Interferometer Space Antenna") geeinigt. Die Mission soll im Jahr 2019 starten.

Robert Czepel, science.ORF.at, 18.8.08
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01.01.2010