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Neues Buch: Wandlungen des Neoliberalismus  
  Was jenseits aller Schlagwörter hinter dem Begriff "Neoliberalismus" steckt, beleuchtet ein neues Buch des deutschen Autors Philip Plickert. Er weist nach: Wien war ein historisches Zentrum des Neoliberalismus.  
Vier Zentren des erneuerten Liberalismus
Ein Gespenst geht um in Europa: der Neoliberalismus! So beginnt Philip Plickert, Historiker und Wirtschaftsredakteur der angesehenen Frankfurter Allgemeinen Zeitung, stilecht seine "Tour d'horizon" in die Gefilde einer Denkschule, deren Name zu einem vor allem negativ besetzten Schlagwort verkommen ist. Dass der gewachsene Neoliberalismus wenig mit dem zu tun hat, was heute meist - von Gegnern wie Befürwortern - dafür gehalten wird, zeigt die Lektüre von Plickerts akribischer Wirtschaftsgeschichte.

Nach dem Niedergang des Klassischen Liberalismus in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts entwickelten sich in der Zwischenkriegszeit vier Zentren eines erneuerten Liberalismus: Wien, London, Freiburg und Chicago. 1947 gründete Friedrich August von Hayek die Mont Pèlerin Society, kurz MPS, als Sammlungspunkt der versprengten Neoliberalen.
Liberal-soziale Wurzeln
Der Wiener Hayek, der 1992 starb, war der große Mann der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Ohne das Gedankengebäude seiner Mont Pèlerin Society wären weder Ludwig Erhards Wirtschaftsreform in Deutschland, noch die spätere weitaus umstrittenere Wendepolitik Margret Thatchers in Großbritannien oder Ronalds Reagans in den USA denkbar gewesen, aber - man höre - auch nicht die soziale Marktwirtschaft europäischer Prägung!

Die Grundthese, dass politische und wirtschaftliche Freiheit ein krasser Widerspruch zur Plan- und Zentralwirtschaft des Sozialismus seien, hinderte Hajek nicht daran, sich vom alten, radikalen Liberalismus des 19.Jahrunderts abzuwenden. Die großen Wirtschaftskrisen seien zwar nicht trotz, sondern wegen des Eingreifens des Staates in die Wirtschaft entstanden - dennoch habe der Staat seine Aufgaben, zum Beispiel eine durchgehende Sozialversicherung aller Arbeitnehmer. Erst sie garantierten, dass nicht Zwang auf den einzelnen im Interesse anderer ausgeübt werde.

So maß Friedrich August von Hajek seinem Neoliberalismus also durchaus soziale Züge zu, wenn er auch den Begriff "sozial" ablehnte - er sei ein endlos dehnbares Kautschukwort .
Eine so sachliche wie packende Geschichte für alle, die über den Neoliberalismus mitreden wollen.

Martin Haidinger, Ö1-Wissenschaftsredaktion, 20.8.08
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Philip Plickert: Wandlungen des Neoliberalismus. Eine Studie zu Entwicklung und Ausstrahlung der "Mont Pèlerin Society". Lucius & Lucius Verlag. Stuttgart 2008.
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01.01.2010