News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Das einseitige Neandertaler-Menü  
  Auf dem Speiseplan des Neandertalers stand jahrtausendelang nur eins: Fleisch. Jüngste Untersuchungen an dem weltberühmten Urmenschen, dessen Skelett 1856 nahe der rheinischen Stadt Mettmann entdeckt worden war, beweisen diese einseitige Ernährung. Zur großen Überraschung der Forscher verschmähte der rheinische Neandertaler Fisch, obwohl er vor rund 42 000 Jahren längs des Flüsschens Düssel gelebt hat.  
"An diese Ressource ging er nicht heran", sagt der Urgeschichtler Ralf W. Schmitz. Er leitet ein Forschungsprojekt, bei dem seit 1991 das im Rheinischen Landesmuseum Bonn aufbewahrte Fossils des "Namenspatrons" aller Neandertaler mit den Methoden moderner Naturwissenschaften untersucht wird. Fischfang sei nach bisherigem Wissensstand erst vor etwa 30.000 Jahren vom Vorfahr heute lebender Menschen, dem Homo sapiens, "entdeckt" worden.
...
Die entsprechende Studie, "Isotope evidence for the diet of the Neanderthal type specimen", ist im Fachjournal "Antiquity" (Bd. 82, S. 553) erschienen.
->   Abstract
...
Speisepläne wie Wölfe
Alle bisher bekannten Neandertaler erwiesen sich als "extreme Fleischesser", deren Ernährungsgewohnheiten mit denen fleischfressender Tiere wie etwa Wölfen zu vergleichen sei, erklärt Schmitz.

Während der moderne Mitteleuropäer zu 60 Prozent Fleisch und Milch und zu 40 Prozent Pflanzliches verspeise, habe der Fleisanteil in der Nahrung der Urmenschen, die rund 200.000 Jahre lang Europa besiedelten, bei mehr als 90 Prozent. Als erfolgreiche Jäger müssen sie über Sprache und Organisationstalent für Treibjagden auf das bevorzugte Wild verfügt haben, sind sich die Experten einig.

Mit der jüngsten Untersuchung, bei der auch ein erst 1997 gefundener Oberarmknochen eines zweiten Urmenschen aus dem Neandertal analysiert worden ist, lägen nun erstmals Daten zur Ernährung der Neandertaler aus dem Norden Mitteleuropas vor, betont Michael P. Richards vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Aussterben rätselhaft
Knochen von acht Neandertalern aus Frankreich, Belgien und Kroatien, die einem Zeitraum von etwa 100 000 Jahren entstammen, waren bereits in den vergangenen Jahren untersucht worden. Dabei wurden die Mengenverhältnisse bestimmter Varianten der Elemente Kohlenstoff und Stickstoff in der Knochensubstanz gemessen und mit den Werten fleisch- und pflanzenfressender Tiere der jeweiligen Region verglichen.

Die These, wonach das Aussterben großer Tiere als Fleischlieferanten auch zum Aussterben der Neandertaler geführt haben könne, sei heute stark ins Wanken geraten, schildert Urmenschen-Experte Schmitz. Da immer mehr bislang vermutete Gründe für das Verschwinden der Neandertaler vor rund 30.000 Jahren ausfielen, werde das Szenario "immer rätselhafter und die Forschung immer ratloser", sagt der Wissenschaftler. Möglicherweise sei der Neandertaler aus genetischen Gründen ein schlechterer Kostverwerter gewesen als der modernere Mensch.

Hierüber und über die Verwandtschaft des fernen Vetters zu heute lebenden Menschen soll nach Auskunft von Michael Schmauder, Abteilungsleiter für Vorgeschichte am Rheinischen Landesmuseum, die laufende Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms Auskunft geben. "Die Ergebnisse kommen möglicherweise noch in diesem Jahr", hofft Schmauder.

Gerd Korinthenberg, dpa, 26.8.08
->   Neandertaler - Wikipedia
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Forscher lässt Neandertaler "sprechen"
->   Kannibalistische Riten bei Neandertalern
->   Neandertaler stritten mit Hyänen um Lebensraum
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010