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Ein Gen als Trennungsfaktor  
  Bisher kannte man das "Junggesellen-Gen" nur bei Wühlmäusen, nun hat man so etwas auch beim Menschen entdeckt: Männer, die eine bestimmte Genvariante im Erbgut tragen, sind offenbar weniger bindungsfähig und bleiben häufiger unverheiratet.  
Hoher Blutdruck, starke Partnerbindung
Mediziner kennen das Hormon Vasopressin schon lange, es wirkt gefäßverengend und fördert die Wasserspeicherung im Körper. Die Erkenntnis, dass es nebst physiologischer Wirkungen auch in das Verhalten eingreift, ist indes jüngeren Datums. Das haben Studien an drei nahe verwandten Mausarten gezeigt, nämlich der Wiesen-, der Rocky-Mountains- und der Prärie-Wühlmaus.

Letztere ist, im Gegensatz zu den zwei anderen Spezies, monogam veranlagt und auch sonst sehr sozial. Das ändert sich allerdings, sobald man im Hirn der Prärie-Wühlmäuse jenen Rezeptor ("V1aR") blockiert, an den das Vasopressin andockt. Dann wird die Präriemaus notorisch ungesellig und will von Partnerbindung und dergleichen nicht wissen.
Treue und untreue Mäusearten
Interessanterweise gibt es auch eine ähnlich Tendenz im Artenvergleich: Der Rezeptor ist nämlich im Hirn der Wiesen- und Rocky-Mountains-Wühlmäuse ganz anders verteilt als bei ihrer treuen Verwandten. Manche Forscher vermuteten vor etwa 10 Jahren, das sei der Grund für deren Hang zur Polygamie. Sie wurden kurz darauf durch zwei Versuche bestätigt: Erhöht man mit Hilfe der Gentechnik die Zahl der Vasopressin-Rezeptoren im Mäusehirn, wird aus dem Mäusecasanova tatsächlich ein treuer Gatte.

Ähnliches stellt sich ein, wenn man dem Rezeptor-Gen eine (sogenannte flankierende) Gensequenz hinzufügt, die nur die Prärie-Wühlmaus besitzt. Beschränkt man sich auf die Wirkungen des Vasopressins, dann wird die Monogamie der Präriemäuse also von zwei Faktoren unterstützt: Erstens durch die Menge der Rezeptoren im Hirn, und zweitens durch die "Treuesequenz" in deren DNA.
Entdeckung im DNA-Konvolut
Ein Team um Paul Lichtenstein vom Karolinska Institut in Stockholm hat sich nun auf die Suche einer solchen "Treue-" bzw. "Untreuesequenz" beim Menschen gemacht - und wurde tatsächlich fündig.

Der Erbgutabschnitt "RS3" - er liegt nicht im, aber neben dem Gen für den Vasopressin- Rezeptor - hängt offenbar mit der Bindungsfähigkeit seiner Träger zusammen, wie die schwedischen Forscher nun im Fachblatt PNAS (Online-Veröffentlichung) berichten.

Männer, die eine genetische Variante namens "334" im Erbgut trugen, erreichten in einem Standardtest zur Beziehungs- und Bindungsfähigkeit nur geringe Werte und lebten häufig in unehelichen Partnerschaften. Bei jenen, die gar zwei Kopien der 334-Variante besaßen, verdoppelte sich die Wahrscheinlichkeit für Ehekrisen im Jahr der Befragung, was auch ihre Partnerinnen bestätigten: Sie waren mit ihrem Beziehungsleben deutlich unzufriedener als die Ehefrauen aus der Vergleichsgruppe.
"Keine Vorhersage möglich"
Lichtenstein und seine Kollegen relativieren allerdings: Auch wenn der Zusammenhang statistisch wasserdicht sei, bleibe der Einfluss des Gens sehr gering.

"Diese Studie bedeutet nicht, dass man nun die Beziehungsfähigkeit einzelner Personen vorhersagen könnte." Und selbst wenn es so wäre: Rendez-Vous mit DNA-Datenblättern werden sich wohl auch in Zukunft nicht durchsetzen.

[science.ORF.at, 2.9.08]
->   Paul Lichtenstein
->   Vasopressin - Wikipedia
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->   Holzeinschlag macht Opossums monogam
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01.01.2010