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Hummeln lernen bei Konflikt mit Spinnen dazu  
  Krabbenspinnen sind dank perfekter Tarnung für ihre Beute eine tödliche Gefahr. Auch für Hummeln sind sie fast unsichtbar. Wenn die Insekten aber einmal gefangen wurden und mit dem Leben davongekommen sind, können sie dazulernen: Beim nächsten Mal gehen sie weit vorsichtiger auf Futtersuche.  
Eine entsprechende Untersuchung im Labor mit echten Hummeln und künstlichen Spinnen haben die Verhaltensforscher Tom Ings und Lars Chittka von der University of London gemacht.
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Ihre Studie "Speed accuracy tradeoffs and false alarms in bee responses to cryptic predators" ist am 4.9. online in der Fachzeitschrift "Current Biology" (doi: 10.1016/j.cub.2008.07.074) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Kein freundschaftliches Verhältnis
 
Bild: Lars Chittka

Dass Anpassungsprozesse im Verhältnis von Räuber und Beute im Tier- und Pflanzenreich bedeutsam sind, zeigen zahlreiche Beispiele. Im Laufe der Evolution haben sich viele Arten quasi im Gleichschritt von Angriff und Abwehr entwickelt.

Lernprozesse dieser Auseinandersetzung aber im Labor zu untersuchen, ist schwierig. Die britischen Biologen haben nun mit einer bemerkenswerten Versuchsanordnung genau das gemacht.

Und zwar anhand des nicht gerade freundschaftlichen Verhältnisses von Hummeln und Krabbenspinnen.

Bild oben: Kampf in der freien Wildbahn, beide sind von Pollen übersäht.
Meister der Camouflage
Bild: Lars Chittka/University of London
Die zwei Roboterspinnen
Krabbenspinnen können ihre Farbe verändern und sind deshalb in der freien Wildbahn für die Hummeln nur schwer zu erkennen. Sie nehmen die Farbe von Blütenblättern an und lauern Bienen, Hummeln und anderen Beutetieren auf.

Wenn möglich packen sie die nichtsahnenden Insekten mit ihren Vorderbeinen, vermeiden deren giftige Stacheln und machen ihnen mit ihrem eigenen Gift den Garaus.

Um die Vorgänge zu überprüfen, haben die britischen Zoologen nun einen Garten hergestellt, in dem echte Hummeln nach künstlichen Blumen suchten. Neben diesen befanden sich ebenso künstliche Krabbenspinnen: Manche von ihnen waren gut sichtbar (die weißen), die anderen ebenso gut versteckt (die gelben).
Roboterspinnen fangen Hummeln mit Schaumstoffzangen
 
Bild: Lars Chittka/University of London

Sobald eine Hummel auf einer "Pflanze" mit einer Roboterspinne landete, geriet sie in eine Falle: eine Schaumstoffzange hielt sie für einen Moment lang fest, ließ sie dann aber wieder los, und die Hummeln konnte sich erneut auf ihre Nahrungssuche begeben.
->   Video der künstlichen Hummelfalle (wmv-Datei)
Tiere werden bei Futtersuche vorsichtiger
Würden die Tiere ihr Verhalten nun ändern? Das konntenTom Ings und Lars Chittka durch die Auswertung der Daten einer 3D Tracking Software, die die Bewegung der Tiere beschreibt, beantworten.

Ihr zufolge verlangsamen die Hummeln nach der kurzfristigen Gefangenschaft ihr Flugtempo deutlich und werden vorsichtiger.

Damit gehen sie aus Sicht der Forscher ein vorteilhaftes "Geschäft" ein: Sie verlieren zwar Zeit für die Futtersuche, zugleich erhöht sich aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine der getarnten Roboterspinnen ausfindig machen.
Bis hin zur Nervosität
Zuviel des Guten scheint die Hummeln aber zu verwirren: Wurden sie gleich mehrfach von gelben Camouflage-Roboterspinnen gefangen und am nächsten Tag erneut auf die künstliche Wiese geschickt, so reagierten sie einigermaßen irritiert.

Sie ließen dann von manchen "Blumen" ab, obwohl sich dort überhaupt keine Roboterspinnen befanden.

Hummeln, die von nicht-camouflierten Spinnen gefangen worden waren, agierten im Vergleich zu ihnen weit weniger vorsichtig. Bei ihnen gab es am nächsten Tag viel weniger "falscher Alarme".
Keine Vorteile für die Spinnen
Bild: Lars Chittka/University of London
Noch eine Kampfszene aus der Natur
Auch aus Sicht der Spinnen bedeutet das laut den Forschern durchaus Überraschendes.

"Es gibt für sie keinen offensichtlichen Nutzen, dass sie so gut getarnt sind, zumindest nicht, was die Anzahl gefangener Hummeln betrifft. Ihre Tarnung führt nicht zu höherem Jagderfolg, auch die Rate an Hummeln, die gelernt hat, ihren Räubern auszuweichen, hat sich nicht reduziert," schreibt Tom Ings in einer Aussendung.

Was durch die Camouflage des Räubers gewonnen wird, scheint also durch die größere Wachsamkeit der Beute wieder verloren zu gehen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 5.9.08
->   Lars Chittka, University of London
->   Tom Ings, University of London
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01.01.2010