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La Ola im Bienennest  
  La Ola, die Welle, gibt es nicht nur in Fußballstadien: Auch Asiatische Honigbienen machen sie in ihren Nestern. In diesem Fall dient das Ganze jedoch nicht der Unterhaltung, sondern der Verteidigung gegen Hornissen, wie Insektenforscher herausgefunden haben.  
Von Frischs Erben
Bienenforschung hat an der Karl-Franzens-Universität Graz Tradition. Hier führte Karl von Frisch einige seiner berühmten (und später mit dem Nobelpreis ausgezeichneten) Experimente durch, die zur Aufklärung der Tanzsprache der Honigbienen führten. Dass sich Gerald Kastberger ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt, dürfte daher kein Zufall sein: Sein akademischer Ziehvater, Herbert Heran, hat selbst bei von Frisch studiert, das spezifische Interesse für staatenbildende Fluginsekten und ihre Kommunikation hat sich offenbar am Grazer zoologischen Institut bis zur heutigen Forschergenerationen erhalten.
Spiralige Wellen
 
Bild: Gerald Kastberger

Kastberger interessiert sich im Speziellen für die in Asien heimische Riesenhonigbiene, Apis dorsata, deren Arbeiterinnen in etwa so groß werden wie die europäischen Hornissen. "1990 war ich bei einem Kongress in Indien, da habe ich sie das erste Mal in natura gesehen ", erinnert sich Kastberger. "Seitdem arbeite ich mit ihr, denn sie ist ein gutes Modelltier für andere soziale Insekten ."

Die Riesenhonigbienen bedecken ihre Nester mit einem dichten und mehrschichtigen Gewusel von Leibern, wobei die innerste Schicht der Tiere mit der Versorgung der Waben betraut ist, die äußerste Schicht indes mit der Verteidigung (Bild oben).

Schon damals fiel Kastberger ein recht ungewöhnliches Verhalten auf: Manchmal laufen durch die äußerste Körperschicht spiralig angeordnete Wellen. Der Mechanismus ist im Prinzip der gleiche wie bei La Ola im Fußballstadion, nur mit dem Unterschied, dass die Bienen nicht die Arme (resp. Beine) in die Höhe strecken, sondern ihr Hinterteil.
->   Video: Die Bienenwelle
Verwirren und Abschrecken
Was das für einen Sinn haben soll, war bis jetzt unklar, Kastberger hat nun herausgefunden, dass die Wellen der Verteidigung dienen: Hornissen, die zu den Hauptfeinden der Riesenhonigbienen gehören, lassen sich durch die beweglichen Muster offenbar verwirren und erschrecken, wie Kastberger mit zwei Kollegen im Onlinejournal "PLoS ONE" (Bd. 3, e3141) schreibt.

"Wir haben beobachtet, dass sich die Wellen zumeist sich in Richtung der Angreifer bewegen. Diese Strategie hat mehrere Vorteile: Sie schreckt Feinde ab, kostet wenig Energie und ist weitgehend risikolos."
Abwehrvarianten: Schwitzkasten, Stechen
 
Bild: Gerald Kastberger

Bild oben: Infight unter Hautflüglern. Apis vs. Vespa.

Das rhythmische Heben des Hinterteils ist natürlich nicht die einzige Verteidigungsstrategie, die die Insekten zur Verfügung haben. In das Nest eingedrungene Wespen und Hornissen werden etwa durch eine Variante des Schwitzkastens namens "Heat Balling" zur Strecke gebracht - dabei bilden die Tiere ein dichtes Körperknäuel um ihre Angreifer, bis ihnen die Luft ausgeht und/oder sie der Hitzschlag trifft.

Größere Tiere wie Vögel und Säugetiere wiederum attackieren mobile Eingreiftruppen, und zwar mit der klassischen Methode per Stachel. Derlei aggressives Verhalten ist bei der Riesenhonigbiene auch überlebensnotwendig, denn sie haust im Freien, "ohne entsprechende Verteidigung wären die Nester ein regelrechter Supermarkt für Wespen", sagt Kastberger gegenüber science.ORF.at.
"Das Schwarze Brett der Kolonie"
Aber La Ola im Bienennest hat nicht ausschließlich mit Aggression zu tun, sie dürfte auch der Kommunikation dienen, vermutet Kastberger. Womit wir wieder bei Karl von Frisch und dem Schwänzeltanz der Honigbiene wären: Letzterer findet nämlich, wie oft vergessen wird, im Inneren der Bienenstöcke - also bei Dunkelheit - statt. Dessen Bedeutungsinhalt wird daher erfühlt, nicht gesehen.

"Das heißt, der Tanz ist eigentlich eine Übersetzung visueller Information in den Tastsinn", sagt Kastberger. Bei den Riesenhonigbienen dürfet etwas ganz Ähnliches vor sich gehen. "Ich vermute, dass die Wellen im Bienennest so etwas wie ein dauernd ablesbares 'Schwarzes Brett' sind, das Auskunft über den Status der Kolonie gibt." Ob das stimmt, sollen Experimente bei der nächsten Forschungsreise nach Asien zeigen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 10.9.08
->   Gerald Kastberger
->   Riesenhonigbiene - Wikipedia
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01.01.2010