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Insekten: Hochsprungrekord dank "Indianerbogen"  
  Schaumzikaden gelten unter Insekten als die Weltrekordler im Hochsprung. Obwohl weniger als einen Zentimeter lang gelingen ihnen Sprünge von bis zu einem Meter. Der Mechanismus von Anspannung und Entladung funktioniert wie bei einem Indianerbogen, berichten nun britische Zoologen.  
Die nötige Geschwindigkeit wird durch ein elastisches Protein ermöglicht, die Stabilität durch das Zusammenspiel mit härteren Materialien erreicht, schreiben Malcolm Burrows von der Universität Cambridge und seine Kollegen.
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Die Studie "Resilin and cuticle form a composite structure for energy storage in jumping by froghopper insects" ist online in der Open-Access-Zeitschrift "BMC Biology" erschienen.
->   BMC Biology
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400 Mal effizienter als der Mensch
Nur zum Vergleich: Die höchste Höhe, die jemals ein Mensch ohne den Einsatz von Hilfsmitteln überquert hat, liegt bei 2,45 Meter. Überwunden hat sie der kubanische Hochspringer Javier Sotomayor, der vor 15 Jahren diesen bis heute gültigen Weltrekord der Leichtathletik aufgestellt hat.

Seine Körpergröße von 1,95 Meter hat Sotomayor um rund ein Viertel übertroffen. Bei Schaumzikaden liegt dieser Wert 400 Mal höher, sie können ihre Körpergröße, die zwischen sieben und zehn Millimeter liegt, rund 100 Mal "überspringen".
Ausgeklügeltes Energiemanagement
 
Bild: Burrows et al, BMC Biology 2008

Eine erwachsene Schaumzikade

Damit solche Leistungen überhaupt möglich sind, bedarf es eines ausgeklügelten Energiemanagements des Körpers.

Die Sprünge erfordern sowohl eine äußerst schnelle als auch eine kräftige Reaktion der Muskeln, und das ist für die zwei Grundtypen von Muskeln eine große Herausforderung: Denn diese kontrahieren entweder schnell und erzeugen dabei relativ wenig Energie oder sie kontrahieren langsam und generieren dafür viel Energie.

Um dieses Dilemma zu überwinden, haben zahlreiche Insekten Wege gefunden Energie zu speichern und im richtigen Moment freizusetzen. Bei den Schaumzikaden funktioniert das System laut den Forschern ähnlich wie ein Bogen, mit dem Menschen Pfeile abschießen. Wie genau, haben sie nun untersucht.
Brustbogen entlädt seien Energien blitzschnell
 
Bild: Burrows et al, BMC Biology 2008

Im Sommer 2007 hatten sie rund um die kanadische Stadt Halifax erwachsene Exemplare von Erlenschaumzikaden ( Aphrophora alni) gefangen. Im Labor lösten sie dann künstliche Muskelkontraktionen aus und untersuchten die Reaktionen mit Hilfe von UV-Licht.

Entscheidend für die gewaltige Sprungleistung der Insekten ist laut den Forschern eine bogenähnliche Struktur im Brustbereich der Insekten (der violette Teil im Bild oben), die unter anderem aus dem Protein Resilin besteht. Wie von anderen Gliederfüßern bereits bekannt, hat Resilin hervorragende elastische Eigenschaften und kann so als Energiespeicher dienen.

Wenn Schaumzikaden ihre Muskeln anspannen, biegt sich die Bruststruktur wie ein Bogen, bei der Entladung und Übertragung der Energie auf die Hinterbeine entstehen Kräfte wie bei einem Katapult - sie können die Masse der Tiere um das 400-fache überschreiten.
->   Video: Superzeitlupe eines Schaumzikadensprungs (wmv-Datei)
Auch Stabilität ist garantiert
Die Ähnlichkeiten mit einem menschlichen Bogen gehen aber noch weiter, schreiben die Forscher. Die Kombination von harten und elastischen Bestandteilen des Brustbogens - Chitin bzw. Resilin - ermögliche wie bei Indianerbogen ein langes Anspannen ohne die Gefahr von Beschädigungen.

Die Insekten können relativ lange angespannt "auf dem Sprung sein", ihn dann blitzschnell durchführen und das gleich mehrmals hintereinander.

[science.ORF.at, 30.9.08]
->   Erlenschaumzikade (Wikipedia)
->   Malcolm Burrows, Universität Cambridge
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01.01.2010