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Den Schlachtplan des Virus entschlüsseln  
  Den genauen 'Schlachtplan' des Aids-Virus beim Befall von Immunzellen zu kennen, könnte entscheidend zur Entwicklung wirksamer HIV-Medikamente sein. Die genaue Dokumentation der genetischen Verwüstung, die der Aids-Virus im befallenen Organismus anrichtet, soll jetzt einiges dazu beitragen.  
Wissenschaftler des Center for AIDS Research an der
University of California haben jetzt die genauen Aktivitäten von über 7.000 Genen in Zellen aufgezeichnet, die von HI-Viren befallen wurden. Sie beschreiben diesen Überblick über den Prozess der Aids-Infektion und die Rolle der darin involvierten Gene in der neusten Ausgabe von "Genome Research".

HI-Viren infizieren und töten nach dem Eindringen in die Blutbahn eines Organismus vorwiegend die für die Immunabwehr des Menschen wichtigen T-Zellen. "Diese Arbeit erledigen die Viren mit tödlicher Präzision und äußerst gründlich", berichtet der Leiter der Studie, Jacques Corbeil.
7.000 Gene beobachtet
Nachdem Corbeil und seine Kollegen im Labor T-Zellen mit
HI-Viren überschüttet hatten, maßen sie mittels so genannter Gen-Chips die Aktivität von 7.000 Genen über die folgenden drei Tage. "Das lieferte uns einen globalen Überblick über den Prozess der HIV-Infektion", so Corbeil.
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Gen-Chips
Auf kleinstem Raum, etwa einem 1,8 mal 1,8 Zentimeter großen Glasplättchen, können Tausende von so genannten Erbgutschnipseln aufgebracht werden. Dabei handelt es sich um Gen-Stücke (cDNAs) oder nur sehr kleine Fragmente aus einer kurzen Abfolge von DNA-Basen. Die Erbgutschnipsel können mit jenen Genen reagieren, die sich in einer Probe befinden. Dort, wo sich ähnliche Gen-Stücke zusammenfinden, leuchten auf dem Chip winzige fluoreszierende Punkte auf, die ein Laser sichtbar macht. Diese Signale zeigen dann, ob in Zellen ein bestimmtes Gen vorkommt oder nicht.
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500 Gene in halber Stunde ausgeschaltet
Innerhalb von nur 30 Minuten schaltete der Virus über 500 Gene aus. Doch der Virus deaktiviert nicht einfach wahllos irgendwelche Gene. Er missbraucht gleichzeitig die Eiweiß-Produktionsmaschinerie der T-Zellen für seine eigene Zwecke. Damit initiiert er die Produktion von neuen Viren und löst damit den Tod der T-Zelle aus.
Selbst-Reparatur ausgeschaltet
Neu entwickelte Bioinformatik-Software ermöglichte dem Forscherteam, die Fülle an gewonnenen Daten zu interpretieren. Dabei wurde jedes Gen auf dem Gen-Chip mit einem Keyword assoziiert, das seine Funktion beschreibt. Dies sollte helfen, bestimmte Gen-Gruppen zu identifizieren, die eine entscheidende Rolle während der HIV-Infektion spielen.

Die Auswertung der Daten ergab, dass die Energie-Produktion und die Selbst-Reparaturmechanismen der T-Zellen durch die HI-Viren ausgeschaltet werden, während so genannte "Selbstmord-Gene" der T-Zellen aktiviert wurden. Im Gegensatz zu der neuen Studie wurde früher nur auf einzelne Gene und deren Produkte während einer HIV-Infektion fokussiert.
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T-Zellen ...
... weiße Blutkörperchen, die an der zellulären Immunabwehr beteiligt sind, körperfremde Stoffe identifizieren und bei B-Lymphozyten eine Antikörperbildung gegen Antigene (z.B. Bakterien oder Viren) anregen können. Wichtig ist dabei die Rolle der T4-Zellen oder Helferzellen. Als Untergruppe der T-Lymphozyten fördern T4-Zellen die Reifung von B-Zellen aus Stammzellen im Knochenmark zu Antikörper-bildenden Zellen und aktivieren andere Formen der Immunantwort. Bei HIV-Infektionen bindet HIV an den CD4-Rezeptor von T4-Zellen und die Zahl der T4-Zellen nimmt im Verlauf der Erkrankung ab. Mit fortschreitender Abnahme lässt die körpereigene Abwehrfähigkeit allmählich nach, wobei immer weniger Antikörper gegen Krankheitserreger gebildet werden.
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In den Selbstmord getrieben
Kurz nach einer HIV-Infektion der T-Zellen, gehen viele von ihnen zu Grunde. Warum das so ist, konnte bislang nicht detailliert geklärt werden. Jetzt scheint die Aktivierung von Zelltod-Genen dafür verantwortlich zu sein. Dabei gelingt es den "intelligenten" HI-Viren, die T-Zellen in einem scheinbaren Versuch, das Virus zu bekämpfen, gezielt in den Selbstmord zu treiben.

Nach der ersten Befalls-Welle können sich die T-Zellen dann auf einem Niveau stabilisieren, das entscheidend dazu beiträgt, wie lange der Patient noch überleben wird. Die derzeit angewandten Behandlungen zielen in erster Linie auf eine Verlangsamung der Virus-Vermehrung.

Die genaue Analyse der Aktivitäten vieler in eine HIV-Infektion involvierten Gene könnten einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung einer der gegenwärtig gefährlichsten Krankheiten beitragen.

(red)
->   Center for AIDS Research,
University of California
->   Artikel im Nature Science Update
Corbeil, J. et al. Temporal gene regulation during HIV-1 infection of human CD4+ T cells. Genome Research in press (2001).
->   Originalartikel in Genome Research
 
 
 
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01.01.2010