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Warum die Saurier so riesig wurden  
  Brontosaurus und seine Verwandten waren die größten Landtiere aller Zeiten. Bislang wurden viele Erklärungen für den Riesenwuchs der Urechsen angeboten, zwei Paläontologen präsentieren nun eine Zusammenschau der wichtigsten Argumente. Eines davon lautet: Pflanzenfressende Saurier waren deswegen so groß, weil sie ihre Nahrung nicht kauen konnten.  
Bis zu 100 Tonnen schwer
Brontosaurus, die "Donnerechse", wog mehr als 30 Tonnen, war 20 Meter lang und so hoch wie ein mehrstöckiges Haus. Wissenschaftlich korrekt ist im Übrigen der Name "Apatosaurus" für diesen gigantischen Pflanzenfresser, der dennoch nicht der Größte seiner Gruppe war.

Er wurde beispielsweise vom 30 Millionen Jahre später lebenden Argentinosaurus übertroffen, der das Echsen-Gardemaß von 27 Metern Länge definierte. Über die Körpermasse dieses Riesen unter Riesen gibt es unterschiedliche Angaben, manche sprechen ihm bis zu 100 Tonnen zu - mindestens das Zwanzigfache eines ausgewachsenen Elefantenbullen.
Urgeschichtliche Ursachenforschung
Angesichts solcher Gigantismen sind selbst Fachleute mitunter etwas ratlos, wenn es um entsprechende Erklärungen geht. Warum hatten gerade die Sauropoda, eine artenreiche Gruppe von Pflanzenfressern unter den Dinosauriern, so gewaltige Körper? Was gab den Anstoß für solchen Riesenwuchs, wie er sich etwa bei Apatosaurus und seinem Verwandten, der "argentinische Echse", manifestierte?

Zwei Paläontologen versuchen sich nun im Fachjournal "Science" (Bd. 322, S. 200) an einer Rekonstruktion der naturhistorischen Ursachen. Eines vorweg: Die Antwort fällt nicht so einfach aus, wie man womöglich erhoffen konnte. Martin Sander von der Uni Bonn und sein Kollege Marcus Clauss von der Uni Zürich präsentieren vielmehr ein Ursachenbündel, das die außerordentlichen Körperdimensionen der Sauropoda erklären soll.
Riesenmägen und lange Hälse
Bild: Science
Rekonstruktion von Paralititan stromeri, ein im Jahr 2001 entdeckter Vertreter der Sauropoden.
Ein Faktor, schreiben die beiden, sei die Unfähigkeit der Echsen gewesen, ihre Nahrung zu zerkauen. Sie hätten das Pflanzenmaterial mehr oder weniger unbearbeitet in ihre Mägen befördert, was zu entsprechend langen Verdauungszeiten geführt habe. Man muss kein Physiologe sein um zu sehen: In großen Mägen geht das einfacher, insbesondere wenn man ein großes Volumen an Nahrung zu sich nimmt.

Was die zum Teil extrem langen Hälse der Sauropoden angeht, verweisen Sander und Clauss auf die Vorteile einer großen Reichweite bei der Nahrungssuche, wenn man so will: den Giraffen-Effekt. Voraussetzung für die Langhälsigkeit war allerdings der Umstand, dass die Köpfe der Sauropoden mangels Kauvorrichtungen relativ klein geblieben waren.

Das zeigen verwandte Saurier mit großen Köpfen und wuchtigen Kiefern, die niemals echte Longinus-Exemplare hervorgebracht haben.
Luftsäcke: Lösung bei Hitzestau
Aber die Größe hatte nicht nur Vorteile, schreiben die beiden Forscher. Große Tiere mit langen Hälsen leiden zum einen unter einem Übermaß an Körperwärme, zum anderen müssen sie überproportional viel Luft durch den Totraum der Atemwege pumpen, damit die Lungen mit Sauerstoff versorgt werden.

Die Lösung für beide Probleme war offenbar eine Atemkonstruktion, die später auch von den Vögeln übernommen wurde. Sie atmen mit Luftsäcken - blasebalgartigen Anhängen der Lungen, die einen Gutteil des Körpers durchdringen, ihn leichter machen und den Luftaustausch optimieren.
Flexibler Stoffwechsel
Probleme stellen sich für ausgesprochene Riesen auch aus metabolischer Perspektive ein: Um ein 10 Kilogramm schweres Jungtier innerhalb von ein bis zwei Dutzend Jahren zu einem 100-Tonnen-Monster heranwachsen zu lassen, bedarf es ausgesprochen hoher Stoffwechselraten, wie sie eigentlich für Vögel und Säugetiere typisch sind.

Damit verschärfen sich allerdings die Probleme mit der Körpertemperatur und der Größe der täglichen Mahlzeiten, weswegen die beiden Paläontologen folgern: Argentinosaurus und seine Kollegen müssen einen flexiblem Stoffwechsel gehabt haben, in Jugend- und Wachstumsphasen quasi im roten Bereich, später dann deutlich gemächlicher.
Krisen mit vielen Eiern überdauern
Langfristig überlebensdienlich dürfte auch die urtümliche Art der Fortpflanzung gewesen sein: Die Sauropoden legten, wie andere Saurier auch, Eier. Die damit verbundene hohe Zahl potenzieller Nachkommen dürfte sie relativ unverwundbar gegenüber Krisenphasen gemacht haben, Naturkatastrophen oder abrupte Klimawandel etwa, bei denen mitunter Populationen, Arten, ja ganze Tiertypen innerhalb kurzer Zeit von der Bildfläche verschwunden sind.

Im Gegensatz dazu scheinen die heute lebenden großen Pflanzenfresser aus der Riege der Säugetiere keine so krisensichere Strategie zu verfolgen. Deren Weibchen sind nämlich äußerst lange trächtig und bekommen meist nur ein Jungtier.

Ob das langfristig wirklich ein Nachteil ist, wie Sander und Clauss vermuten, lässt sich allerdings nur schwer überprüfen. Faktum ist: Auch den Sauropoden half das naturhistorische Krisenmanagement nur bedingt, ihr Zeitalter endete vor 65 Millionen Jahren mit einem verheerenden Meteoriteneinschlag.

[science.ORF.at, 10.10.08]
->   Martin Sander
->   Marcus Clauss
->   Apatosaurus - Wikipedia
->   Argentinosaurus - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010