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Beginn des Lebens: Ursuppe hatte mehr Zutaten  
  1953 hat der US-Chemiker Stanley Miller ein bahnbrechendes Experiment durchgeführt, das sich heute in allen Lehrbüchern findet. Er wies nach, wie sich aus einer Mischung einfacher Gase unter elektrischer Ladung Biomoleküle bilden können. So soll die "Ursuppe" entstanden sein, aus der sich das Leben auf der Erde entwickelt hat. Nun haben seine Kollegen Originalproben des Experiments erneut analysiert und dabei weitaus mehr chemische Verbindungen gefunden als der 2007 verstorbene Forscher.  
Die ersten Bausteine des Lebens bildeten sich nach den neuen Ergebnissen vermutlich in und an vulkanischen Inseln und nicht, wie bisher oft vermutet, im Meer oder bereits gebildeten Landmassen.
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Der Artikel "The Miller Volcanic Spark Discharge Experiment" von Adam P. Johnson et al. ist in der aktuellen Ausgaben von "Science" (Bd.322, 17. Oktober 2008, DOI:10.1126/science.1161527) erschienen.
->   Zur Studie
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Das klassische Experiment
Bild: Ned Shaw/Indiana University
Bild des Originalexperiments: Die Elektroden am Kolben führen zur Bildung der Biosubstanz
Für das historische Experiment konstruierte Miller einen gläsernen Kreislauf, in dem er nichts weiter als Wasser und die Gase Methan, Ammoniak und Wasserstoff zusammenbrachte.

In dem Kolben ließ er Wasser kochen, dessen Dampf sich mit dem Gasgemisch vermengte. Ein elektrischer Funkenschlag bildete Blitze nach. Auf der anderen Seite des Aufbaus kondensierte Miller den Dampf und ließ ihn wieder in den Kolben tropfen, wo der Kreislauf von neuem begann.

Bereits nach zwei Tagen fand er die Aminosäure Glyzin in seinem Reaktionsgemisch, einen Bestandteil von Proteinen. In weiteren Versuchen produzierte er mehrere Varianten seiner Ursuppe. Bis heute stellt das Experiment einen Klassiker der chemisch-biologischen Evolutionstheorie dar.
Untersuchung mit modernsten Methoden
 
Bild: Ned Shaw/Indiana University

Die Versuchsanordnung aus Stanley Millers Originalexperiment

Nachdem die Forscher rund um Jeffrey Bada von der Scripps Institution of Oceanography in La Jolla im Nachlass des Chemikers alte Proben des Experiments gefunden hatten beschlossen sie, diese neu zu analysieren.

Das Team untersuchte sie mit modernsten Techniken, wie Hochleistungsflüssigchromatografie und Flugzeit-Massenspektrometrie. Schon bei den Proben des in "Science" veröffentlichten klassischen Experiments konnten die Chemiker weitaus mehr Aminosäuren als Miller in den 1950ern finden, nämlich 14 anstatt fünf.
Unveröffentlichte Experimente
Manche der damaligen Versuchsanordnungen wurden damals gar nicht publiziert. In einer davon wollte Miller die vulkanischen Eruptionen der Urerde simulieren.

Dabei wurden die aufsteigenden Gase über eine Engstelle beschleunigt und mit den bereits kondensierten Reaktionsprodukten vermischt. Miller fehlten allerdings auch hier die Methoden, andere Stoffe als in der ursprünglichen Anordnung nachzuweisen.

Die Wissenschaftler rund um Bada fanden hier noch mehr Moleküle als in den Proben des Originalexperiments, nämlich insgesamt 22 Aminosäuren sowie fünf Amine.
Hinweis auf vulkanische Bedingungen
Auch wenn die Zusammensetzung der Uratmosphäre vermutlich nicht genau jener entsprochen hat, die Miller verwendete, bringen die aktuellen Messergebnisse laut den Forschern dennoch neue Erkenntnisse.

Die Bedingungen des zweiten Experiments entsprächen nämlich exakt denen, die in den Dampfwolken von Vulkanen herrschten.

Dies legt nahe, dass die energiereiche vulkanische Umgebung die notwendigen Bedingungen für die Entstehung der ersten chemischen Bausteine des Lebens geschaffen hat.
Fehlende Bausteine
Unumstritten ist die Theorie von Miller und seinen Nachfolgern aber nicht: Einige Geowissenschaftler bezweifeln mittlerweile, dass die Bedingungen der Urerde jenen im Glaskolben von Stanley Miller glichen. Manche glauben etwa, dass organische Verbindungen mit Meteoriten auf die junge Erde gelangten.

Nichtsdestotrotz bleibt Millers Experiment für die chemisch-biologische Evolutionsforschung bedeutsam. Manche Fragen sind jedoch offen, etwa wie unter diesen Bedingungen langkettige Proteine entstehen konnten, die für die Zellbildung essenziell sind und entwickelte sich eine für unser Leben wesentliche Gruppe der Biomoleküle wie - die Nukleinsäuren, die in Millers Ursuppe gar nicht vorkommen.

[science.ORF.at, 17.10.08]
->   Miller-Urey-Eperiment (Wikipedia)
->   Scripps Institution of Oceanography
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Erfinder der künstlichen "Ursuppe" gestorben (24.5.07)
->   50 Jahre danach: Stanley Millers Ursuppe (9.5.03)
->   Wie das Ammoniak in die Ursuppe kam (26.3.03)
 
 
 
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01.01.2010