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Flugkünste: Warum Schmetterlinge so schwierig zu fangen sind  
  Aufgrund ihrer auffallenden Färbung und ihrer großen Flügel sind Schmetterlinge besser sichtbar als die meisten anderen Insekten. Nur ihr unberechenbarer Flug schützt sie vor potenziellen Angreifern. Eine aktuelle Studie zeigt, dass vor allem die hinteren Flügel für diese Künste verantwortlich sind.  
Entfernt man diese nämlich, sind die Tiere zwar weiterhin flugtüchtig, verlieren aber ihre außergewöhnliche Manövrierfähigkeit. Das haben US-amerikanische Forscher bei der Beobachtung ihres Flugverhaltens mit und ohne Hinterflügel festgestellt.
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Die Studie "Hindwings are unnecessary for flight but essential for execution of normal evasive flight in Lepidoptera" von Benjamin Jantzen und Thomas Eisner ist in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (20. Oktober 2008, DOI:10.1073/pnas.0807223105) erschienen.
->   Studie
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"Vorderflügelantrieb"
Die meisten Schmetterlinge fliegen in einem erratischen Zick-Zack-Flug, ihre Flugroute vorherzusehen, ist schwierig und ohne Netz sind sie kaum zu fangen. Deswegen und aufgrund ihrer Größe sind sie auch für viele Vögel von Vornherein eine wenig interessante Beute.

Gesteuert wird ihr Flug primär von den Vorderflügeln, die mechanisch verbundenen Hinterflügel schlagen dabei synchron mit. Die Forscher rund um Thomas Eisner vom Department of Neurobioloy and Behavior der Cornell University hatten beobachtet, dass Schmetterling und Motten auch ohne Hinterflügel weiterfliegen konnten.

Daher beschlossen sie deren Einfluss auf das Flugverhalten der Insekten zu untersuchen.
Flugtüchtig auch ohne Hinterflügel
 
Bild: PNAS

Kohlweißling und Schwammspinner mit und ohne Hinterflügel

Für ihre Studie verwendeten die Forscher Videoaufnahmen der Flugbahnen von zwei Schmetterlingsarten, vom Kohlweißling und vom Schwammspinner, einer Tagesmotte. Beide sind tagesaktiv und leicht verfügbar.

Aus dem freien Flug und der Frequenz ihrer Flügelschläge berechneten sie kinematische und geografische Werte - sowohl für die vollständigen Tiere als auch für jene, deren hintere Flügel entfernt wurden: die mittlere Geschwindigkeit, die lineare Beschleunigung, die Beschleunigung in der Kurve und die Krümmung der Kurve.

Auch ohne Hinterflügel waren die Falter ausnahmslos flugtüchtig. Weder die Zeit, die sie in der Luft verbrachten noch ihre Fähigkeit, die Flughöhe zu halten, schien von der Operation beeinträchtigt zu sein.
Weniger manövrierfähig
Allerdings waren sie erheblich langsamer und sowohl die lineare Beschleunigung als auch jene in der Kurve waren deutlich reduziert. Sie konnten zwar immer noch einen extremen Zick-Zack-Kurs fliegen, aber mit geringerer Geschwindigkeit.

Es war laut den Forschern erwartbar, dass die Insekten ihre Flugfähigkeit durch den Verlust der Hinterflügel nicht verlieren, da bekanntermaßen die Vorderflügel den Flugantrieb bilden. Dabei stellt sich allerdings die Frage, warum sie so eine große Flügelfläche besitzen, wenn fast die Hälfte davon überflüssig ist.
Hinterflügel ermöglichen unberechenbares Flugverhalten
Die Daten der aktuellen Studie geben eine mögliche Antwort darauf: Gerade die scheinbar überflüssigen Hinterflügel sind für den schnellen und erratischen Schmetterlingsflug mitentscheidend. Sie ermöglichen die hohen Geschwindigkeiten und die beispiellose Manövrierfähigkeit - genau deswegen sind die Tiere laut den Forschern so schwer zu fangen.

Da sie dadurch potenziellen Räubern entkommen können, habe diese Fähigkeit wesentlich zum Fortbestand der Art beigetragen. Die Wissenschaftler rund um Eisler gehen allerdings davon aus, dass sich diese bereits bei den Vorfahren der Schmetterlinge - den Nachtfaltern - entwickelt hat, für ihre Flucht vor nächtlichen Angreifern wie etwa den Fledermäusen.

[science.ORF.at, 21.10.08]
->   Thomas Eisner
->   Department of Neurobiology and Behavior (Cornell University)
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01.01.2010