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Tsunami 2004 hatte mittelalterlichen Vorgänger  
  Zu Weihnachten 2004 hat ein Tsunami im Indischen Ozean den Tod von mehr als 220.000 Menschen verursacht. Dass es sich dabei um kein historisch einmaliges Ereignis gehandelt hat, zeigt eine aktuelle Studie. Offensichtlich schwappen etwa alle 600 Jahre mächtige Flutwellen über Thailand und Indonesien - zuletzt im 14. oder 15. Jahrhundert.  
Davor dürfte es im neunten Jahrhundert sowie knapp vor Beginn unserer Zeitrechnung zu Tsunamis im Indischen Ozean gekommen sein, berichten zwei Forscherteams.
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Die beiden Studien "Medieval forewarning of the 2004 Indian Ocean tsunami in Thailand" und "A 1,000-year sediment record of tsunami recurrence in northern Sumatra" sind in der aktuellen Ausgabe von "Nature" erschienen (Bd. 455, S. 1228 u. 1232).
->   Abstract
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Keine schriftliche Zeugnisse
Die Geologenteams schreiben mit ihren Studien Geschichte: Schriftliche Aufzeichnungen über Tsunamis im Mittelalter oder davor gibt es nämlich keine.

Auch nicht von dem islamischen Forschungsreisenden Ibn-Battuta, der im späten 14. Jahrhundert bis nach Indien reiste, oder von Vertretern der mächtigen Ming-Dynastie in China, die ebenfalls Reiseliteratur schrieben.

Umso auch historisch interessanter ist die Arbeit, die nun Geologen aus den USA, Australien, Deutschland und Norwegen vorlegen.
Zweitstärkstes aufgezeichnetes Erdbeben
Der tektonische Ausgangspunkt: In der Bruchzone entlang der Küsten Sumatras und Thailands taucht die Indisch-Australische Platte mit einer Geschwindigkeit von bis zu fünf Zentimetern pro Jahr unter die Asiatische Platte.

Bei dem Beben am 26. Dezember 2004 wurde der unterseeische Rand der Asiatischen Platte zusätzlich zur Nordverschiebung um zehn Meter angehoben. Wie später festgestellt wurde, handelte es sich um das zweitstärkste aufgezeichnete Erdbeben der Geschichte.

Die freigesetzte Energie entsprach etwa einer 100-Gigatonnen-Bombe. Die darauf folgenden Flutwellen türmten sich bis zu 35 Meter auf und überschwemmten das Festland.
Sandablagerungen in Thailand und Indonesien
Die Geologengruppen um Kruawun Jankaew von der Chulalongkorn Universität in Bangkok und Katrin Monecke von der Universität Pittsburgh haben nun alte Sandablagerungen im Boden untersucht, die auf Tsunamis hindeuten.

Die Forscher untersuchten Proben von der Insel Phra Thong 125 Kilometer nördlich der thailändischen Ferieninsel Phuket und von einem Gebiet nördlich der Stadt Meulaboh an der Westküste Sumatras in Indonesien mit der Radiokarbon-Methode.
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Bei Tsunamis dringt das Meerwasser kilometerweit ins Land und hinterlässt eine Sandschicht. Was nicht weggeweht wird, lagert sich in den Erdschichten ab.
->   Tsunami - Berge aus Wasser
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Helle Schichten deuten auf Tsunamis
 
Bild: Brian Atwater

Kruawun Jankaew beim Ausgraben

An 20 besonders geeigneten Stellen stießen die Forscher auf signifikante Wechsel von hellen Sandschichten und dunkler Erde. Die oberste Sandschicht hat sich eindeutig nach dem Tsunami 2004 abgelagert.

Der Vergleich tiefer liegender, heller Sandschichten zeigte, dass sie sowohl in Thailand als auch in Indonesien in etwa zur gleichen Zeit entstanden sein mussten.

Daraus schlossen die Forscher, dass zumindest am östlichen Rand des Indischen Ozeans zwischen den Jahren 1300 und 1450 ein ähnlich verheerender Tsunami stattgefunden haben könnte wie vor vier Jahren.
->   Videos zu den antiken Tsunamis (Nature)
Weitere historische Vorläufer
Das Team unter Leitung der Geologin Katrin Monecke fand auf Sumatra zudem Hinweise auf einen weiteren Tsunami zwischen den Jahren 780 und 900.

Die älteste, einem Tsunami zuordenbare Sandschicht stammt aus dem Jahr 200 vor unserer Zeitrechnung.
Frühwarnsysteme sinnlos?
Angesichts des Abstands von hunderten Jahren zwischen derart verheerenden Naturereignissen spekuliert der norwegische Geologe Stein Bondevik in einem "Nature"-Begleitkommentar, ob die Bevölkerung auf ähnliche Katastrophen vorzubereiten sei:

"Küstenbewohner könnten die Vorteile, näher an der Küste zu wohnen, über die Risiken stellen, die durch Tsunamis entstehen. Auch scheinen Investitionen in Frühwarnsysteme sinnlos, wenn die verheerenden Flutwellen nur so selten auftreten." Er räumt aber ein, dass kleinere Tsunamis, von denen es weniger Zeugnisse unter der Erde gibt, weit häufiger auftreten und Schutzmaßnahmen rechtfertigen.

Was die Forschung betrifft, wünscht er sich eine Überprüfung und Vertiefung der Ergebnisse der aktuellen Studie: In einem nächsten Schritt sollen die Erdschichten an anderen Küsten des Indischen Ozeans untersucht werden.

[science.ORF.at, 30.10.08]
->   Chulalongkorn Universität Bangkok
->   Katrin Monecke
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Dilemma der Wissenschaft nach Tsunami 2004
->   Der nächste Tsunami ist nur eine Frage der Zeit
->   Sumatra-Tsunami wanderte mehrfach um die Erde
->   Tsunami-Beben war zweitschwerstes seit 1900
 
 
 
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01.01.2010