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Atomkraftwerke: Man baut wieder  
  Vor 30 Jahren, am 5. November 1978, wurde in Österreich darüber abgestimmt, ob das Atomkraftwerk Zwentendorf in Betrieb geht. Heute wird überlegt, ob man auf dem Gelände in Zukunft Solarstrom produziert. Anders als hierzulande erlebt die Kernenergie in vielen Ländern eine Renaissance. Manche Länder wollen mit Atomkraftwerken ihre CO2-Emissionen reduzieren. Ein Überblick über die Welt der Kernenergie.  
Kernenergie weltweit
Atomkraft polarisiert. Während manche Staaten einen Großteil ihres Stroms aus Kernkraftwerken gewinnen, kommen die meisten Länder weltweit nach wie vor ohne die umstrittenen Kraftwerke aus. Laut Internationaler Atomenergiebehörde (IAEA) waren Ende 2007 weltweit 439 Reaktoren in Betrieb. Die meisten davon, 104, werden in den USA betrieben, gefolgt von Frankreich mit 59 Reaktoren. Im Jahr 1980 waren es weltweit noch 245 Reaktoren. Die Kernenergie lieferte im vergangenen Jahr 14 Prozent des weltweit erzeugten Stroms. Frankreich setzt am stärksten auf die nukleare Quelle: Knapp 78 Prozent des Stroms kamen dort aus den Kernkraftwerken.

Bei einem Vergleich der Kontinente ergeben sich drei Spitzenreiter: Nordamerika, Europa und Asien. In Afrika stehen lediglich zwei Reaktoren (in Südafrika), in Lateinamerika laufen sechs (je zwei in Argentinien, Brasilien und Mexiko). Die einzigen Kontinente ohne Kernkraftwerke sind Australien und die Antarktis.
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Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mit Sitz in Wien ist Teil der Vereinten Nationen und koordiniert die Zusammenarbeitet ihrer Mitgliedstaaten zur Kernenergie. In ihrem Bericht "Nuclear Technology Review" veröffentlicht die IAEA jährlich einen Überblick zur weltweiten Nutzung der Kernenergie.
->   Link zum Bericht (pdf):
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Bauboom in Asien
Trotz Anti-AKW-Bewegungen entstehen weltweit jährlich neue Atomkraftwerke. Ende 2007 baute man der IAEA zufolge weltweit an 33 Reaktoren, die meisten davon stehen in Indien (sechs), Russland (sechs) und China (fünf). In der Europäischen Union bauen derzeit Finnland und Frankreich jeweils einen Reaktor, Bulgarien errichtet zwei. Im Jahr 2008 wurde bisher mit der Konstruktion von insgesamt vier weiteren neuen Reaktoren begonnen. Sie entstehen in Russland, China und Süd-Korea.

Der IAEA zufolge haben sich die baltischen Staaten und Polen darauf geeinigt, bis 2015 ein neues Kernkraftwerk in Litauen zu errichten und die Türkei habe durch eine Gesetzesänderung den Bau von Atomkraftwerken prinzipiell ermöglicht.

Im Jahr 2007 ging weltweit kein einziger Reaktor außer Betrieb; 2006 waren es acht und 2005 zwei.
Streitpunkt Klimaschutz
In den letzten Jahren wird der Bau der Kernkraftwerke zunehmend damit begründet, dass man mit ihnen den Klimawandel aufhalten könne. Begründet wird das mit niedrigen CO2-Emissionen der Kernkraftwerke. Die Regierung von Großbritannien hat in einem Bericht Anfang 2008 erklärt, dass die Kernenergie für die Erzeugung des Stroms in Zukunft eine wichtige Rolle spielen soll. In Deutschland gibt es ähnliche Bestrebungen: Dort wird der Ausstieg aus dem Ausstieg diskutiert. Der UNO-Klimarat empfiehlt neben erneuerbaren Energieträgern auch die Kernkraft als Energiequelle, um den Klimawandel zu verhindern.

Umweltschützer kritisieren an diesen Plänen, dass Kernkraftwerke ebenfalls CO2 frei setzen. Meist würde nur auf den Betrieb geachtet, nicht jedoch auf die gesamte Lebensdauer der Kraftwerke. Das CO2 der Kernenergie entsteht unter anderem durch den Einsatz fossiler Energieträger beim Bau der Anlagen und durch den Energieverbrauch bei der Anreicherung des Urans. Das deutsche Öko-Institut verglich die CO2-Emission für verschiedene Kraftwerke. Kernkraftwerke verursachen demnach zwischen zehn und 120 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom. Die Unterschiede ergeben sich durch verschiedene Techniken zur Urananreicherung, die unterschiedlich viel Energie benötigen. Ein Braunkohlekraftwerk verursacht laut der Studie des Öko-Instituts hingegen mehr als 1000 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom, Windkraftanlagen sorgen für zirka 20 und Wasserkraftwerke für zirka 40 Gramm CO2 pro Kilowattstunde.

Der Streit um die CO2-Bilanz ist aber nicht der einzige Kritikpunkt der AKW-Gegner. Dazu kommen Risiken durch Unfälle und austretende Strahlung sowie das Problem, wo und wie der Atommüll sicher gelagert werden könnte.
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Schwerpunkt Energiegesellschaft
Die Initiative Risiko:dialog von Radio Österreich 1 und dem Umweltbundesamt widmet sich derzeit dem Thema Ressourcen. Bis März 2009 gibt es dazu den Dialogschwerpunkt Energiegesellschaft. Im Frühjahr 2009 wird dazu eine BürgerInnenkonferenz stattfinden. Im Zuge des Schwerpunkts werden auf science.orf.at zirka alle zwei Wochen Beiträge zum Thema Energie erscheinen.
->   Risiko:dialog
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Uran für hundert Jahre
Die Vorkommen von Uran sind, wie auch fossile Energieträger, beschränkt. Zumindest für die nächsten Jahrzehnte dürfte aber noch genug Uran vorhanden sein, um den weltweiten Bedarf zu decken. Derzeit werden weltweit jährlich etwa 40.000 Tonnen Uranerz jährlich gefördert.

Die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzte in einer Studie zur Verfügbarkeit von Energierohstoffen, dass weltweit derzeit knapp zwei Millionen Tonnen verfügbar sind. Die gesamten Uranreserven der Erde, also auch jene, die heute noch nicht wirtschaftlich gefördert werden können, schätzt die Bundesanstalt auf knapp drei Millionen Tonnen. Rechnet man vermutete, noch nicht entdeckte Vorkommen hinzu, vervierfacht sich dieser Wert. Gemsessen am heutigen Verbrauch, käme die Menschheit also noch Jahrzehnte oder Jahrhunderte lang aus.
Langfristig unklar
Wie es in ferner Zukunft mit der Kernenergie aussehen könnte, ist jedoch unklar. Die Internationale Atomenergiebehörde liefert zwei Szenarien: In dem einen erreichen 145 Reaktoren bis 2030 ihr Betriebsende und 178 werden neu gebaut; in einem zweiten Szenario gehen nur 82 Reaktoren vom Netz, dafür sollen 357 neue entstehen. Greenpeace hat vor wenigen Tagen ein Energieszenario veröffentlicht, laut dem die Welt im Jahr 2050 ohne Kernenergie auskommen könnte. Möglich wäre das durch Einsparungen, höhere Effizienz in der Energienutzung und Investitionen in erneuerbare Energieträger.

Mark Hammer, science.ORF.at, 4.11.08
->   Internationale Atomenergiebehörde
->   Studie Verfügbarkeit von Energierohstoffen (pdf)
->   Studie des Öko-Instituts zu CO2-Emissionen (pdf)
->   Whitepaper der Regierung Großbritanniens zur Kernenergie (pdf)
->   UN-Klimarat
->   Alle Beiträge zum Schwerpunkt Energiegesellschaft:
Mehr zu dem Thema auf ORF.at:
->   30 Jahre Zwentendorf-Abstimmung 1
->   30 Jahre Zwentendorf-Abstimmung 2
->   Ökostrom aus Zwentendorf
->   Atommüll: Endlagerung völlig unklar
->   Greenpeace: 40 Prozent weniger Energieverbrauch mit heutiger Technik
 
 
 
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01.01.2010