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Künstliche Prionenvermehrung  
  Ein neu entwickeltes Verfahren schafft die Vorraussetzungen für den Nachweis von BSE, Creutzfeldt-Jakob und anderen Prionen-Erkrankungen anhand geringster Probemengen. Durch die künstliche Vermehrung von krank machendem Prionen - Eiweiß soll es auch möglich werden, die Infektion schon im Blut nachzuweisen.  
''Die Methode imitiert die Vermehrung von abnormen Prionen-Proteinen im Körper in einem Schnellverfahren. Die Vorgänge, die normalerweise über Jahre hinweg ablaufen, werden im Labor auf wenige Stunden reduziert,'' erklärt Silvano Fumero, stellvertretender Leiter des Genfer Forschungsinstitutes Serono.

''Das ist ein großer wissenschaftlicher Durchbruch und kann sowohl die Prionen-Tests verbessern als auch helfen, neue Ziele für zukünftige Medikamente gegen Prionen-Erkrankungen zu finden'', so Fumero.
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Prionen ...
... sind sehr kleine Proteinpartikel, die eine ursächliche Rolle bei der Entstehung der Alzheimer'schen Krankheit und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit spielen. Prionen, die selbst keinerlei Erbinformation besitzen, können dem normalen, insbesondere in den Nervenzellen des Gehirns vorkommenden Prion-Protein durch Kontakt ihre krankmachende Form aufzwingen. Dieser Vorgang kann sich wie eine Kettenreaktion fortpflanzen und zerstört dann die betroffene Nervenzelle. Erkranktes Gehirngewebe erscheint durchlöchert wie ein Schwamm. Der Aufbau der Prion-Proteine bei verschiedenen Arten ist sehr unterschiedlich. Sehr selten können die krank machenden Prion-Formen auch durch Mutationen oder ohne ersichtlichen Grund entstehen, wie vermutlich bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.
->   Mehr Informationen über Prionen
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Protein Misfolding Cyclic Amplification - PMCA
Die Wissenschaftler um Fumero und Claudio Soto schufen ein System, indem gesundes Prionen-Material (PrPc-Eiweiß) in immer neuen Zyklen mit krank machendem PrPsc-Prionen-Eiweiß in Kontakt kommt.

Das Verfahren heißt "Protein Misfolding Cyclic Amplification - PMCA". Nach einigen solcher Zyklen ist dann genug Probenmaterial vorhanden, um krank machendes PrPsc mit den bereits vorhandenen Tests nachweisen zu können. Die Ergebnisse wurden in der neuesten Ausgabe von "Nature" veröffentlicht.
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Ähnlichkeiten mit der Polymerase-Kettenreaktion
Das Verfahren ähnelt der so genannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR), die mit der zyklischen Vermehrung des Erbguts aus Proben - zum Beispiel von Krankheitserregern - vor rund zehn Jahren die Labortechnik in Medizin und Biologie revolutioniert hat. Der Erfinder der Methode, der US-Wissenschaftler Kary Mullis, hat dafür im Jahr 1993 den Chemie-Nobelpreis erhalten.
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Aus Gut wird Böse
Die Experten ahmen damit den "natürlichen" Krankheitsverlauf von Prionen-Leiden nach. Ist in einer Probe auch nur die geringste Menge von "bösem" PrPsc-Material vorhanden, wandelt es im Laufe der wiederholten Inkubation mit gesundem Prionen-Eiweiß dieses in PrPsc um.

Dann könnten auch geringste Mengen des kranken PrPsc-Eiweiß im Blut nachgewiesen werden. Denn Wissenschaftler vermuten schon seit längerer Zeit, dass bei Menschen, die an Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) - auch noch ohne Symptome - leiden, oder bei BSE- oder Scrapie-infizierten Tieren geringste Mengen an krankem PrPsc-Eiweiß im Blut vorhanden sind.

Bisher konnten diese allerdings auf Grund der geringen Konzentration nicht nachgewiesen werden. Die Amplifikation - also die Vermehrung - im Labor könnte diesen Mangel an Probenmaterial beheben.
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Die Forscher erprobten das System mit Gewebematerial von Scrapie-infizierten Hamstern. Die Entwicklung eines breit anwendbaren Verfahrens steht aber noch aus.
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Die möglichen Konsequenzen der Entwicklung:
- Klappt das Verfahren, ist endgültig der Beweis erbracht, dass Prionen-Forscher und Nobelpreisträger Stanley Prusiner Recht hat, indem er das anormale Prionen-Eiweiß als infektiösen "Erreger" von BSE & Co. bezeichnet.

- Es sieht so aus, als könnte man mit der Methode die Grundlagen für einen Nachweis von Prionen aus dem Blut schaffen.

- Theoretisch könnte das Verfahren die Basis für Frühtests bei Rindern etc. sein.

- Auch beim Menschen könnte für CJD und nvCJD ein Testverfahren entwickelt werden, das auf der Untersuchung von Blut oder Rückenmarkflüssigkeit beruht.

- Schließlich - so die Serono-Forscher - könnte das neue System auch für Frühtests bei Verdacht auf Morbus Alzheimer geeignet sein.

(APA/red)
->   Das Serono Forschungsinstitut
 
 
 
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01.01.2010