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Gelehrte leben länger  
  Dass sich die Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nicht gerade durch besondere Jugend auszeichnen, ist kein Geheimnis und liefert mitunter Anlass zur Kritik. Immerhin liegt deren Durchschnittsalter bei etwa 70 Jahren. Eine aktuelle Langzeitstudie liefert nun eine mögliche Erklärung für diesen Umstand. Diese leben demnach nämlich nicht nur deutlich länger als die Gesamtbevölkerung, sondern auch länger als andere Hochschulabsolventen.  
Ein Grund für die hohe Lebenserwartung könnte laut der Studienautorin Maria Winkler-Dworak die besonders ausgeprägte geistige Aktivität im hohen Alter sein.
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Die Studie "The Low Mortality of a Learned Society" von Maria Winkler-Dworak ist im "European Journal of Population" (Bd.24, Dezember 2008, DOI: 10.1007/s10680-007-9148-0) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Biografische Daten aus 150 Jahren
Bild: OeAW / R. Herbst
Publikum bei der Balzan Lecture an der ÖAW, 7.11.2007
Bekanntermaßen haben Personen mit höherem Bildungsgrad und Einkommen ein geringeres Sterberisiko als ärmere oder wenig gebildete, also sollten auch Mitglieder von Gelehrtengesellschaften eine besonders hohe Lebenserwartung haben.

Um diesen Umstand näher zu beleuchten, hat die aktuelle Studie von Maria Winkler-Dworak vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Lebenserwartung von Gelehrten anhand biografischer Daten wirklicher und korrespondierender Mitglieder der ÖAW von 1847 - dem Jahr ihrer Gründung - bis 2005 untersucht. Aufgrund des geringen Frauenanteils wurden ausschließlich Männer erfasst.

Verglichen wurde deren Lebenserwartung mit jener der männlichen Gesamtbevölkerung und dann noch mal gesondert mit jener von Hochschulabsolventen. Die 33-jährige Wissenschaftlerin wollte so untersuchen, wie sich soziale Unterschiede in den letzten 150 Jahren ausgewirkt haben und inwieweit Gelehrte dabei eine Vorreiterrolle innehatten.
Lebenserwartung stieg durch bessere Bedingungen
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte die Mitgliedschaft in der Gelehrtengesellschaft noch keinerlei Vorteile. Krieg und Seuchen, die besonders in den Städten wüteten, bedingten eine generell sehr hohe Sterblichkeit.

Erst ab Mitte der 1870er Jahre begannen die Sterberaten laut Studie zu sinken. Vor allem die verbesserten hygienischen Bedingungen und der medizinische Fortschritt trugen dazu bei. Auch bei den Akademiemitgliedern stieg die Lebenserwartung. Zumeist lag sie - wenn auch nicht signifikant - über dem Durchschnitt. Vermutlich bekamen sie die Verbesserungen mehr zu spüren.
Deutlich höhere Lebenserwartung
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten sich die Lebenserwartungen dann signifikant auseinander. Laut der Forscherin hat ein sechzigjähriges Akademiemitglied heute eine um etwa sechs Jahre längere Lebenserwartung als der Durchschnittsösterreicher, ein doppelt so hoher Vorsprung als noch vor 50 Jahren. Die Gelehrten scheinen besonders stark vom Rückgang des Sterblichkeitsrisikos im höheren Lebensalter zu profitieren.

Sogar wenn man die Lebenserwartung der Akademiemitglieder mit jener von Menschen mit höherem Bildungsabschluss vergleicht, wird der Unterschied laut Studie zwar geringer, aber bleibt signifikant.

Auch in anderen europäischen Ländern haben Gelehrte eine höhere Lebenserwartung, in Frankreich ist die eines 50-jährigen um etwa fünf Jahre länger als beim Durchschnitt, in Holland sogar 7,5 Jahre.
Ursachen für den Vorteil
Ursachen für die höhere Lebenserwartung sind laut der Autorin mehrere denkbar: So sei es etwa möglich, dass die Gelehrten sozusagen Vorreiter einer allgemeinen Entwicklung der Lebenserwartung sind. Sie können als erste gesellschaftliche oder medizinische Fortschritte nützen. Dafür spricht laut der aktuellen Untersuchung, dass der Unterschied zwischen Gelehrten und anderen Akademikern in den letzten 30 Jahren etwas geringer geworden ist.

Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass sich Gelehrte durch einen speziellen Lebensstil auszeichnen, der für die höhere Lebenserwartung verantwortlich ist. Vielleicht sind sie einfach gesünder, weil sie auch im hohen Alter noch sehr aktiv sind.

Gegen den Vorwurf der "Überalterung" hat die Österreichische Akademie der Wissenschaften heuer übrigens die "Junge Kurie" ins Leben gerufen. Diese besteht aus 53 Nachwuchswissenschaftlern mit einem Höchstalter von 45 Jahren.

[science.ORF.at, 11.11.08]
->   Maria Winkler-Dworak
->   ÖAW
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01.01.2010