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Entwicklungstagung (II): Wasser als Machtfrage  
  1,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, der Zugang zu Wasser bedeutet demnach auch Macht. Nutzungskonflikte sind ein Schwerpunkt der Entwicklungstagung in Innsbruck.  
Täglich sterben 6.000 Menschen, v.a. Kinder, an Erkrankungen, die auf verschmutztes Wasser zurückgeführt werden können, so der "Weltwasserbericht" der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2003.
Konflikte um das Wasser
Ein wirtschaftlicher Konflikt ums Wasser herrscht beispielsweise in Brasilien: rund um die großangelegte Umleitung des Rio Sao Francisco im Nordosten des Landes.

Tobias Schmitt vom Institut für Geographie der Universität Innsbruck hat sich heuer bei zwei Exkursionen und Tagungen ein Bild der Lage in Brasilien gemacht.
Interessen hinterfragen
Tobias Schmitt schildert im Gespräch mit science.ORF.at: "Das Projekt hört sich auf den ersten Blick ganz schön an: Es wird Wasser in ein semiarides Gebiet geleitet; zwölf Millionen Menschen haben plötzlich Zugang zu Wasser.

Doch es gibt Umwelt-NGOs, kirchliche Verbände und indigene Bewegungen, die dagegen sind. Man muss ganz genau hinterfragen, welche Interessen hinter so einem riesigen Infrastrukturprojekt stehen."
->   Rio Sao Francisco (Wikipedia)
Nur wenig Wasser für Bevölkerung
"Laut dem Integrationsministerium sollen 70 Prozent des abgeleiteten Wassers für die Bewässerungslandwirtschaft zur Verfügung gestellt werden, 26 Prozent für Industrie und Städte im Nordosten Brasiliens und nur vier Prozent für die ländliche Bevölkerung.

Diese Bewässerungslandwirtschaft ist keine kleinbäuerliche Bewässerung, sondern das sind riesige Plantagen, wo vor allem Obst (Bananen, Ananas, Melonen, usw.) in Monokulturen angebaut wird, hauptsächlich von multinationalen Unternehmen und das sind letztlich auch die treibenden Kräfte hinter dem Projekt", so Schmitt.
Wasser ist Wirtschaftspolitik
Hinter dem großen Infrastrukturprojekt stehe das Modell des Wirtschaftswachstums: Exporte voranzutreiben, mehr Devisen einzunehmen und durch das makroökonomische Wirtschaftswachstum letztlich die Region zu entwickeln und Arbeitsplätze zu schaffen, so Tobias Schmitt.

Doch: "Die Frage ist, was für eine Art von Arbeitsplätzen entsteht da? In diesen Plantagen sind sehr prekäre Arbeitsbedingungen, ein hoher Austrag von Pestiziden. Und letztendlich findet auch eine Verdrängung von Kleinbauern statt, die immer mehr Land und den Zugang zu Wasser verlieren. Diese Art von Entwicklungsmodell wird durch so ein Großprojekt gefördert."
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Alternativen
Aus Sicht von Tobias Schmitt gäbe es Alternativen zum Großprojekt: kleinräumige Lösungen, mit kleinen Kanälen und Zisternen; an die trockene Region angepasste Pflanzen. Es gebe derartige Initiativen in Brasilien, auch mit österreichischer Beteiligung.
->   Abstract zum Thema (Journal für Entwicklungspolitik)
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Die Banane in unserem Jausensackerl
Der Konflikt um die Flussableitung gehe über die Region, gar über Brasilien und den Kontinent hinaus, meint Tobias Schmitt, und werde letztlich tagtäglich im Obstregal in jedem kleinen Supermarkt - ob in Graz, Frankfurt oder Prag - mitentschieden.

"Es geht auch darum, unseren persönlichen Lebensstil infrage zu stellen, die globalen Zusammenhänge offenzulegen und sich zu überlegen, was die Gründe für die Ausweitung der Obstplantagen in Brasilien sind: Ist es nicht unser Lebensstil, ist es nicht unsere Nachfrage, die das bewirkt? Man denke auch an Zuckerrohrplantagen für Biosprit oder an Rinderweiden und Sojaplantagen für unseren Fleischkonsum."

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 11.11.08
->   Tobias Schmitt (Universität Innsbruck)
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Tagung in Innsbruck
Für die vierte österreichische Entwicklungstagung treffen sich ab Freitag an der Universität Innsbruck Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sowie einzelne Experten u.a. aus Deutschland, Uganda, den Philippinen und China.
->   4. Österreichische Entwicklungstagung
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Mehr zur Entwicklungstagung in science.ORF.at:
->   Wie fair leben wir? Beispiel Klimapolitik (10.11.08)
 
 
 
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01.01.2010