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Winkerkrabben: Der Bluff mit der Schere  
  Winkerkrabben mit großen Scheren sind einer australischen Studie zufolge nicht immer die besseren Kämpfer. Der Grund: Manche Männchen lassen sich voluminöse Organe in Leichtbauweise wachsen. Die taugen zwar zum Posieren - aber nicht zum Kämpfen.  
Locken und Kämpfen
 
Bild: Tanya Detto

Der Name "Winkerkrabbe" kommt nicht von ungefähr. Männchen der Krabbengattung Uca besitzen eine stark vergrößerte Schere, die für zwei Dinge gut ist. Zum einen locken die Tiere damit Weibchen an, indem sie ihr Prachtstück in die Luft halten und schwenken, was für uns eben wie Winken aussieht. Zum anderen dient die Riesenschere auch für den Kampf gegen Rivalen.

Laut Lehrbüchern handelt es sich dabei um sogenannte Kommentkämpfe - also solche, bei denen Beschädigungen des Gegners durch ritualisiertes Verhalten vermieden werden. Das mag in vielen Fällen stimmen, bei der Art Uca mjoebergi (Bild oben) kann es allerdings schon einmal passieren, dass einem der Kontrahenten im Eifer des Gefechts eine ganze Schere abhanden kommt.

So eine Verletzung bedeutet zwar nicht den Tod - Winkerkrabben haben die erstaunliche Fähigkeit, ganze Scheren zu regenerieren - eine veritable Beschädigung ist das dennoch.
Potemkinsche Organe
 
Bild: P. Lailvaux et al.; Functional Ecology

Jedenfalls machen manche Tiere in so einem Fall aus der Not eine Tugend, wie nun ein Team um den australischen Biologen Simon P. Lailvaux im Fachblatt "Functional Ecology" (doi: 10.1111/j.1365-2435.2008.01501.x) berichtet. Sie lassen sich nach dem Totalverlust eine neues, voluminöses Organ wachsen und beeindrucken damit offenbar ihre Konkurrenten.

Bei Winkerkrabben sind nämlich Männchen mit großen Scheren besonders kampfstark, ergo ist es für Tiere mit einer großen Zweitschere durchaus von Vorteil, wenn sie ihre Geschlechtsmerkmale im Zuge der körperlichen Renovierung ein wenig überbetonen. Nur ist das alles Bluff: Die Sekundärorgane sind zwar äußerlich kaum von den Originalen zu unterscheiden (siehe Bild oben - links das Original, rechts die Kopie), zum Kämpfen taugen sie indes wenig. Wie Lailvaux herausgefunden hat, schneiden Männchen mit Zweitscheren in den Disziplinen "Scherenkraft" und "Aus-dem-Tunnel-ziehen" deutlich schlechter ab als ihre unversehrten Kollegen.

Und beim direkten Kräftemessen mit Artgenossen rangieren sie ebenfalls in der B-Liga. Was in der freien Natur insofern kein Bein- bzw. Scherenbruch ist, als es erst dann zum Kampf kommt, sofern das diplomatische Vorspiel scheitert. Die Strategie dürfte sich also sehr wohl auszahlen.
Posen mit Signalwirkung
"Anhand der Größe von Original-Scheren können Männchen durchaus einen Eindruck von der Kampfkraft ihrer Kontrahenten gewinnen. Bei regenerierten Scheren ist das hingegen nicht der Fall", sagt Simon Lailvaux. "Männchen mit nachgewachsenen Scheren bluffen ihre Gegner, in etwa so wie beim Pokern. Sie sind keine guten Kämpfer, aber ihre Erscheinung erlaubt es ihnen, die anderen Männchen zu überzeugen: 'Mit dem lege ich mich nicht an.'"

Die Scheren der Winkerkabben sind eben mehr als nur von einem Panzer überzogene Körperteile, sie sind auch Signale, die Auskunft über die körperliche Verfassung ihrer Träger geben. Nur werden derlei Signalsysteme auch gerne unterlaufen, wie man beispielsweise von Schwebfliegen weiß: Sie haben sich im Kielwasser der Wespen, Bienen und Hornissen ebenfalls eine gelb-schwarze Alarmfärbung zugelegt, besitzen jedoch keinen Stachel und sind auch sonst völlig harmlos. Bei Insekten hat man so etwas schon oft nachgewiesen, bei Krabben dürften Täuschungsmanöver dieser Art eher neu sein.

"Einer der Gründe, warum man nicht viel über Unehrlichkeit wusste, ist, dass man sie schwer nachweisen kann", sagt Lailvaux. "Unehrliche Signale sind ja dafür geschaffen, nicht als solche entdeckt zu werden."

Robert Czepel, science.ORF.at, 12.11.08
->   Simon Lailvaux
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01.01.2010