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Ameisen: Spezialisten sind nicht erfolgreicher  
  Arbeitsteilung war ein wesentlicher Faktor bei der Industrialisierung. Die Idee dahinter: Spezialisten arbeiten effizienter als Generalisten, ähnlich wie Ameisen oder andere soziale Insekten. Eine aktuelle Studie zeigt nun allerdings, dass diese These zumindest bei einer bestimmten Ameisenart gar nicht zutrifft.  
Eine US-amerikanische Wissenschaftlerin stellte dabei nämlich fest, dass die auf eine bestimmte Tätigkeit spezialisierten Tiere bei weitem nicht die besten in diesem Bereich waren. Dieses Ergebnis ist insofern erstaunlich, als diese Spezialisierung bisher eine wesentliche Grundlage des Erfolgs derartiger sozial organisierter Insektengemeinschaften zu sein schien.
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Die Studie "Specialization Does Not Predict Individual Efficiency in an Ant" von Anna Dornhaus ist im "PLoS Biology" (DOI: 10.1371/journal.pbio.0060285) erschienen.
->   Studie
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Erfolgreiche Insekten
Soziale Insekten sind ökologisch außerordentlich erfolgreich. In Staaten lebende Ameisen, Bienen, Wespen und Termiten machen etwa 75 Prozent der weltweiten Biomasse aller Insekten aus. Sie spielen eine wesentliche Rolle bei der Bearbeitung des Bodens und bei der Aufbereitung von Nährstoffen.

Die Arbeitsteilung gilt als Basis ihres Erfolgs. Ohne diese Grundannahme zu hinterfragen, wurde bisher vor allem untersucht, wie es zu dieser Spezialisierung innerhalb der Gruppe kommt, also z.B. wie ein einzelnes Tier zu seiner Aufgabe kommt - müssen Aufgaben erst erlernt werden oder gibt es auch evolutionäre Anpassungen?
Wirkt sich Arbeitsteilung auf Leistung aus?
Für die aktuelle Studie hat Anna Dornhaus von der University of Arizona nun die Ameisenart Temnothorax albipennis darauf hin untersucht, wie sich die Arbeitsteilung tatsächlich auf die Leistung auswirkt. Physisch sind die Tiere dieser Art eigentlich nicht auf eine bestimmte Aufgabe spezialisiert. Als Maß für die Spezialisierung galt für die Autorin daher, wie oft und wie bereitwillig ein Individuum eine bestimmte Aufgabe erledigt.

Um die einzelnen Ameisen zu identifizieren, färbte sie diese in verschiedenen Farben - insgesamt 1142 der winzigen Tiere aus elf verschiedenen Staaten. Dann wurden sie gefilmt, während sie vier unterschiedliche Aufgaben ausführten: Brutpflege, die Suche nach zuckerhaltiger Nahrung sowie nach Proteinen, wie etwa tote Fliegen, und schließlich bestimmte Nestbauaktivitäten.

Diese Tätigkeiten wurden laut Dornhaus deshalb ausgewählt, da es dabei relativ einfach ist, die Arbeitsleistung pro Zeiteinheit und Tier zu messen, ohne die natürliche Organisationsstruktur zu verändern.
Spezialisten sind nicht die Besten
Aufgezeichnet wurde dabei für jedes Insekt, wie oft es jede der Aufgaben ausführte, wie lang es dauerte bis es damit begann bzw. damit fertig war.

Es zeigte sich, dass entgegen den Erwartungen die Spezialisten - das heißt, jene die bestimmte Aufgaben am häufigsten ausführten - keineswegs die besten Arbeiter waren, was ihre Leistung betraf. Umgekehrt bedeutet das laut Studie, dass manche Tätigkeiten nicht von den dafür am besten geeigneten Tieren erledigt werden.

Spezialisten verbringen demnach insgesamt mehr Zeit mit "ihrer" Aufgabe, was aber mangels Effizienz lediglich eine Verschwendung von Ressourcen darstellt. Laut der Forscherin gibt es im Gegensatz zum Gesamtzeitaufwand im eigentlichen Arbeitstempo kaum Unterschiede zwischen Spezialisten und Generalisten, vermutlich weil jede überflüssige Sekunde außerhalb des Baus gefährlich und energieraubend ist.
Unterschiedliche Wahrnehmung von Arbeit
Unklar sei allerdings, warum manche Ameisen diese oder jene Tätigkeiten auswählen und warum manche so lange brauchen, damit zu beginnen.

Laut Dornhaus ist das unter Umständen davon abhängig, wie schnell ein einzelnes Tier registriert, dass Arbeit ansteht. Sie vergleicht das mit den unterschiedlichen Wahrnehmungsgrenzen von Menschen, wenn es etwa darum geht, Geschirr abzuwaschen oder die Wohnung zu putzen.

Wie weit sich diese Feststellungen auf andere Aufgaben und andere Arten ausweiten lassen, muss laut der Autorin noch weiter untersucht werden.

[science.ORF.at, 18.11.08]
->   Anna Dornhaus
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Lawinen im Ameisenvolk (24.1.08)
->   Ameisen stopfen Schlaglöcher mit eigenem Körper (29.5.07)
->   Lehrer und Schüler gibt es auch bei Ameisen (11.1.06)
 
 
 
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01.01.2010